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Designtrend Inklusion

Was haben gesellschaftliche Trends wie Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Beeinträchtigungen, die Alterung der Gesellschaft, Migrantenströme und das Internet der Dinge gemeinsam? Sie bringen ein (altes) Thema in den Blick der Öffentlichkeit: Universelles bzw. Inklusives Design. Dazu starten wir zum World Usability Day eine kleine Blogserie.

Designtrend Inklusion
Inklusion im Bild, mit freundlicher Genehmigung der DSK GmbH, Hamburg

Inklusives Design meint, dass (digitale) Produkte und Dienstleistungen so gestaltet sind, dass sie von einer möglichst grossen Anzahl von Menschen benutzt werden können.

Inklusives Design berücksichtigt Bedürfnisse von Menschen in allen Lebensphasen und Altersstufen, in ihren Fähigkeiten und Restriktionen, in ihren Gewohnheiten und ihrer Kultur.

Im Inklusiven Design stecken drei Gedanken:  1) alle nutzen heute digitale Services, 2) Lebensumstände von Menschen verändern sich und 3) wir wollen digitale Angebote möglichst nachhaltig gestalten.

Nicht das gleiche wie Usability und Barrierefreiheit?

Fast, aber nicht ganz: Die Idee der Inklusion gibt’s in den USA schon länger, das «Universelle Design». Universelles Design stellt den ökonomischen Nutzen in den Vordergrund, wenn möglichst viele Menschen mit all ihren Besonderheiten und in diversen Verwendungssituationen ein Produkt oder einen Service kaufen und nutzen können. Klassisches Beispiel: Supermärkte, deren Regale für kleine Menschen erreichbar sind und deren Gänge breit genug sind, um einen Rollstuhl – oder eben einen Kinderwagen – durchzuschieben. Wikipedia hat zu allen Begriffsvarianten einen tollen Grundlagenartikel verfasst, das brauchen wir hier nicht wiederholen.

Inklusives Design trägt der Vielfalt und dem Wandel in Lebensumständen Rechnung, damit Unternehmen Kunden behalten und neue gewinnen können. Also ist nach unserer Definition von Usability und Barrierefreiheit der Unterschied marginal :-).

In der Praxis heisst dies, bei der Konzeption oder in Design-Thinking-Prozessen viele Eigenschaften und Nutzungssituationen verschiedener Menschen zu berücksichtigen.

Damit steigt die Notwendigkeit, in realitätsnahen Nutzungsszenarien für den Service zu denken und dafür wiederum braucht es Empathie.

Warum liegt Empathie plötzlich so im Trend?

Der Welt-Usability-Tag 2017 hat das Thema «Inklusion». Der World IA Day 2018 beschäftigt sich mit «Information Architecture for good», das Zürcher Digital Festival 2017 hatte gleich mehrere Ethik-Themen im Programm. Mögliche Gründe:

1. Erster Generationswechsel im digitalen Zeitalter.

Die Pioniere der digitalen Industrie sind älter geworden. Die früheren Studenten mit Startups im Keller schieben Kinderwagen und kämpfen mit der Medienerziehung für ihre Kids. Andere leiden an gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Diese Veränderungen erhöhen die Empathie mit Gegebenheiten, an die sie selbst als «Junge Wilde» nie gedacht hatten. Tony Fadell, einer der Vordenker für iPhone und iPod, hat zu seinen Bedenken ein eindrückliches Interview gegeben.

2. Tempo des digitalen Wandels verstärkt das Bedürfnis nach Sicherheit.

Das Internet ist allgegenwärtig und nicht immer kontrollierbar. Kinder interagieren selbstverständlich mit digitalen Assistenten – und bestellen ihre Weihnachtsgeschenke schneller mit dem Amazon Echo als ihre Eltern den Wunschzettel entziffern können.

Sprechende Assistenten müssen deshalb damit umgehen können, dass ein Vorschulkind ihr Gesprächspartner ist.

So darf Alexa z.B. der Online-Bestellung eines Puppenhauses nicht immer nachkommen und sie muss altersgerechte Inhalte filtern können.

Aber Alter ist auch ein Thema nach oben: auch internetversierte Topkunden verlieren mit dem Alter (ab 45) ihre Sehtüchtigkeit und zunehmend Mobilität. Interaktionen mit diesen Kunden muss das Design, z.B. über passende Schriftvergrösserungen und Touchelemente gerecht werden. Denn so sinkt das Risiko von (teuren) Fehlbedienungen – und dass sich ihre Intensiv-Verwender nach anderen Dienstleistern umsehen.

 

3. Rechtlicher Impuls «Leichte Sprache»

Wer nicht gut (deutsch) lesen kann, ist raus. Dazu gehören Menschen mit Beeinträchtigungen, mit Leseschwächen oder geringen Deutschkenntnissen. In Deutschland wurde das Behindertengesetz um die Anforderung der «Leichten Sprache» ergänzt, so dass öffentlichen Betriebe ab 2018 entsprechende Übersetzungen anbieten. Bis die Schweiz folgt, ist es nur eine Frage der Zeit. Deshalb verfasst mein Kollege René Sturny gerade einen Artikel über Leichte Sprache.

4. Zurecht immer höhere Erwartungen

Die Informationsdichte in digitalen Interfaces wird anspruchsvoller. Immer komplexere Sachverhalte und Wegleitungen werden an Algorithmen delegiert. Während die digitalen Interaktionsformen immer vielseitiger werden, verschwinden «humanoide» Alternativen wie Filialen oder Hotlines.  Einige Folgen: Gesichtserkennung darf nicht aufgrund der Hautfarbe diskriminieren. Online-Warnsysteme müssen für Farbenblinde funktionieren. Auch anspruchsvolle Inhalte wie Infografiken müssen für alle zugänglich sein.

Brauchen Sie jetzt Budget für Inklusives Design?

Inklusives Design kostet nicht mehr. Vor allem, wenn Sie frühzeitig in einem viel breiteren Menschenbild denken. Bauen Sie in frühen Designphasen Empathie mit Usern auf und nehmen Sie sich Zeit für gute, vielseitige Anwendungsfälle für Ihr digitales Angebot. Nachrüsten ist immer aufwändiger. Für die Basics gibt es auch technische Hilfen. In unserer Blogserie «Inklusives Design» geben wir diesen Monat praktische Tipps.

Inklusives Design ist Zeitgeist

Das Internet wurde ursprünglich von und für junge weisse Männer gemacht. Heute ist es das zentrale Arbeitsmittel für Menschen jeden Alters, aller Nationalitäten, Geschlechter, Bildungsniveaus, Lebensphasen und mit einer riesigen Vielfalt an technischer Infrastruktur.  Dies hat grosse Auswirkungen auf Design, relevanten Content und die Art, wie wir zu guten digitalen Services kommen.

Deshalb ist Inklusives Design nicht nur Trend, sondern notwendiger Zeitgeist.

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