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Von vorbildlich bis nicht verfügbar – grosse Qualitätsunterschiede bei Schweizer Onlineshops

Fachartikel in Netzwoche

Wie benutzerfreundlich sind die «heimischen» Onlineshops? Haben Sie dieselbe Evolution durchlaufen wie die grossen Player im Ausland? Die Zeix AG hat sieben Shops aus den Bereichen «Medienversand» und «Food» getestet.

Von: Peter Hogenkamp, Zeix AG

Wir schreiben das Jahr 7 des E-Commerce. Onlineshops haben in dieser Zeit einen weiten Weg zurück gelegt: Von textbasierten, hierarchisch organisierten Datenbanken mit Bestellfunktion, bei denen man sich durch diverse Kategorien klicken musste, bis man zum ersten Produkt kam, treten die weltweiten Player – allen voran Amazon, die Mutter aller Shops – heute mit ständig aktualisierten redaktionellen Inhalten und einem starken Focus auf CRM und Personalisierung («Wir haben neue Empfehlungen für Sie») auf.
Allerdings wurde während dieser Evolution auch schnell klar, dass die Annahme, Onlineshops seien deutlich profitabler als der stationäre Handel, nur Wunschdenken war. Amazon.com, brauchte sieben lange Jahre, um im Buchgeschäft den ersten Gewinn zu erwirtschaften. Mit der Krise der New Economy kam an vielen Orten der Kahlschlag. Shops besinnen sich auf ihre Kernfunktionen, Redaktionen von Onlineshops wurden drastisch verkleinert oder ganz abgeschafft, so dass viele in ihrer Ausrichtung heute wieder dort angekommen sind, wo sie vor einigen Jahren schon einmal waren.
Die wechselvolle Geschichte von buch.ch spiegelt das Auf und Ab der Branche: 1997 wurde von der Winterthurer Buchhandlung Schneebeli in Betrieb genommen, 1999 von der deutschen buch.de gekauft und in Mediantis umbenannt, als solche in der Flut der austauschbaren Kunstwörter untergegangen; von der deutschen Buchgruppe Thalia übernommen und nun als buch.ch wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt.
Wo stehen in dieser schwankenden Landschaft die Schweizer Onlineshops? Welche «echten» Schweizer Start-ups sind übrig geblieben, wie aufwändig werden die Sites inhaltlich gepflegt, und vor allem: Wie benutzerfreundlich sind sie, und wie sehr entspricht ihr Angebot den Bedürfnissen und dem Verhalten der User – in einer Zeit, in der die Mehrheit der Internet-Nutzer nicht mehr aus IT-Profis besteht, sondern aus Anfängern? Aus den Hunderten von Shopping-Angeboten wurden zwei der «prominentesten» B2C-Bereiche herausgegriffen: Medienversand und Lebensmittel.

Amazons Erben: CeDe & Co.
Die meisten Online-Buchhändler haben früh die «umliegenden» Medien CD und DVD in ihr Sortiment aufgenommen; umgekehrt haben weniger CD-Versender ihr Sortiment auf Bücher erweitert. Wir testeten CeDe, books.ch, buch.ch und Directmedia.
Am besten schneidet die Firma CeDe ab, was die Usability der Website und das Eingehen auf die Kundenbedürfnisse angeht. Laut Geschäftsführer Peter Bühler wollen seine rund 70’000 Kunden einen möglichst grossen Katalog und eine möglichst schnelle Lieferung. Darüber hinaus werde der «Schweizerbonus» sehr wohl wahrgenommen, genauso wie der Gratis-Rechercheservice die Möglichkeit bietet, Kunden zu binden. Der Onlineshop ist aus einem Winterthurer CD-Laden «Musicbox» heraus entstanden, wodurch Bühler immer nah an seinen Kunden war. Von Beginn an hat er mit CeDe schwarze Zahlen geschrieben.

Online-«Poschting»: Coop & Co.
Ein weiterer grosser Irrtum der New Economy war es zu denken, dass alle Supermärkte durch Onlineshops ersetzt würden. In den USA konnten wir spektakuläre Aufstiege und nicht minder spektakuläre Pleiten von Firmen wie Webvan und Kozmo beobachten. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Lebensmittelverkauf via Web vorerst ein Nischenmarkt bleiben wird – die meisten Leute gehen gern immer noch gern selbst in den Supermarkt und sind vor allem nicht bereit, für die zusätzliche Logistik zu zahlen.
Dies führte dazu, dass sich in der Schweiz nach dem frühen Vorpreschen des Westschweizer Start-ups LeShop lange Zeit nichts tat. Die Grossverteiler Migros und Coop hielten sich vornehm zurück, machten hier einen Test und da ein Pilotprojekt und launchten schliesslich beide doch im letzten Jahr ihre Onlineshops, allerdings beide räumlich immer noch so begrenzt, dass man eigentlich immer noch von Pilotprojekten sprechen kann.
Von den dreien machte die Migros den besten Eindruck, allerdings waren die Gegner nicht sehr stark. LeShop funktioniert eigentlich gut, disqualifiziert sich aber durch die Kombination einer unübersichtlichen hierarchischen Anordnung der Produkte mit einer unbrauchbaren Volltextsuche. Der Shop von Coop war während der Testtage so oft nicht zu erreichen, dass er nicht seriös getestet werden konnte.

So wurde getestet
Im Zeix-Usability-Labor wurde jeder Shop von drei Testpersonen besucht, die die entsprechende Site vorher nicht kannten. Alle durchliefen einen kompletten Kaufprozess mit Registrierung, Produktauswahl und Bezahlung. Jede Person testete maximal einen Medien- und einen Food-Shop, nicht mehrere derselben Kategorie, um einen Lerneffekt auszuschliessen. Die Abwicklung wurde bewusst nicht bewertet, da eine grosse Stichprobe nötig gewesen wäre, um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten. Ebenso wurde bewusst auf eine quantitative Gewichtung der Einzelergebnisse (z.B. Homepage 7 Punkte, Suche 6 Punkte, Fulfillment 5 Punkte macht X Punkte) und damit auf die Kür eines Gesamtsiegers verzichtet – in einschlägigen Tests wird häufig so eine Scheinobjektivität vergegaukelt, die einer seriösen Prüfung nicht standhält.

Relaunch kein Garant für Verbesserung
In die Tests hinein platzte am 31. Januar der Relaunch von books.ch, dem Online-Ableger der grössten Schweizer Buchhandlung Orell Füssli. Es lohnt sich, einen näheren Blick darauf zu werfen.
Das Navigationskonzept von books.ch wurde komplett überarbeitet, als Shop-Software wurde auf Intershop Enfinity (das Flaggschiff des deutsch-amerikanischen Softwareherstellers Intershop; weltweit in vielen High-End-Shops eingesetzt) umgestellt.
Bei books.ch weist ein Popup-Fenster auf den Relaunch hin. Nach einer Liste der neuen Features kommt das dicke Ende: «Der komplette Systemwechsel erfordert deshalb auch eine neue Registrierung Ihrer Daten unter «Mein Konto»».
Was lapidar klingen mag, ist unter dem Aspekt der Kundenbindung fast unglaublich. Hier wurden einfach alle Kundendaten (Adressen und Bestellhistorie) weggeworfen. «Ich bleibe bei ‚meinem‘ Onlineshop, weil ich dort schon registriert bin» macht aber einen zentralen Teil der Loyalität von Onlinekunden aus. Wenn Amazon dasselbe machen würde, wäre die Firma am nächsten Tag nur noch ein Zehntel wert.
Und auch die Navigation der gesamten Site wurde deutlich verschlimmbessert. Orell-Füssli-CEO Dr. Ira Hardegger glaubt es vermutlich selbst, wenn sie im Online-Editorial schreibt: «www.books.ch – jetzt noch besser, noch kundenfreundlicher!» – leider ist speziell durch das Löschen der Kundendaten das Gegenteil der Fall.

Fazit: Entscheider wissen zu wenig
Orell Füssli wird im Sommer 2002 am Zürcher Bellevue eine zweite Grossbuchhandlung eröffnen. Dass zum Beispiel bei der Einrichtung grobe Schnitzer passieren und die Kunden Schwierigkeiten haben werden, sich zurecht zu finden, ist praktisch undenkbar. Die Firma ist seit Jahrzehnten im Geschäft; ein unfähiger Ladenbauer würde schnell als solcher enttarnt und ersetzt.
Anders im Web: Immer noch können Relaunches in weniger statt mehr Kundennutzen münden. Auch im Jahr 7 des E-Commerce wissen die Entscheidungsträger zum einen immer noch zu wenig über ihre Kunden, über ihr Online-Verhalten und ihre Online-Bedürfnisse, und zum anderen haben sie vermutlich auch immer noch zu wenig Ahnung von der Technologie, um unfähigen Beratern die Stirn bieten zu können, wenn diese sagen: Die Kundendaten kann man leider nicht übernehmen.
Fazit: Die Schweizer Shops präsentieren sich erstaunlich heterogen: Lichtblicke wie CeDe, der als lokaler Anbieter einen sehr guten Kundennutzen generiert, stehen neben Sites mit Bugs wie LeShop (Volltextsuche unbrauchbar) oder solchen, die sich tagelang verabschieden wie Coop. Vielen sieht man an, dass die Betreiber noch nie geschaut haben, was die User eigentlich auf ihrem Shop machen. Mit einfachsten Verbesserungen könnte man die Bedienung deutlich vereinfachen und damit vermutlich deutlich höhere Umsätze erreichen.

books.ch
Es gibt Relaunches, bei denen man sich die Augen reibt und denkt: Bin ich wirklich auf der neuen Site? Die Homepage von books.ch wirkt unaufgeräumt, das Farbkonzept ist keins, als Textauszeichnungen wechseln sich Versalien, Unterstreichungen, eingerahmter Text und Buttons ab. Auf Anhieb ist keinem Testuser klar, was anklickbar ist und was nicht, das Icon für «Drucken» würde wohl niemand per se als Drucker identifizieren.
Einige dieser Punkte mögen Geschmackssache sein, doch es wird auch gegen explizite Regeln verstossen, zum Beispiel gegen jene, dass das gleiche Stilelement auch immer die gleiche Funktion bzw. Bedeutung haben sollte. Bei books.ch ist jedoch ein eingerahmter Text:
– auf der Homepage eine Rubrik («Ausgefallenes», «Bestseller»)
– auf der Rubrikenhomepage eine Dachzeile («Neuer Gänsehautkrimi»)
– auf der Detailseite der Titel des Buches («Kreuz des Südens»)
Auch die Navigation ist wenig durchdacht: Die oberste Ebene stellt ein Kategoriendurcheinander dar: «Home» (der Onlineshop), «Orell Füssli» (Firmenportrait, das ausser der Liste der Filialen eine Ebene tiefer besser aufgehoben gewesen wäre) und «Ihre Vorteile» (ein Sammelsurium von Inhalten eines Servicebereichs).
Noch schlimmer ist der Anzeiger, wo man sich befindet: Klickt man von der Homepage aus auf den Link «Bestseller» (ein Klick), sagt einem die Orientierungshilfe, dass man sich jetzt unter «Unsere Empfehlungen > Im Gespräch > Bestseller» befindet. Die eigentlich wichtigste Orientierungsebene, die den Abteilungen der klassischen Buchhandlung entspricht wurde ausser «Wirtschaft» und «Software» gar nicht in die Navigationsstruktur aufgenommen; man findet sie mit «Freizeit & Lebensart», «Geist & Wissenschaft», «Geschichte & Politik» etc. eher zufällig unter «Unsere Empfehlungen».
Als guter Service, der einem Kundenbedürfnis entspricht, wird in den Tests die Rubrik «Jetzt in den Medien» angesehen. Hier kann man sich schnell informieren, welche Bücher zuletzt in wichtigen Schweizer Publikationen rezensiert wurde.

buch.ch
Viel aufgeräumter präsentiert sich die Homepage von buch.ch. Die Navigation ist mit einem Farbenkonzept ruhig und trotzdem aussagekräftig: Die Hauptbereiche (Home, Buch, Musik, Video, DVD, Spiele/Software) werden von sechs verschiedenen Farben repräsentiert. Jeder Bereich hat links an derselben Stelle die zweite Navigationsebene: bei Büchern Belletristik, Krimi, Schweizer Autoren, bei Musik sind es Pop, Rock, Jazz etc.
Auch die Suche innerhalb der einzelnen Bereiche oder über alle Bereiche hinweg funktioniert gut; einzig warum sich das Eingabefeld auf der obersten Seite im Bereich Musik plötzlich in einen Lauftext verwandelt und damit eine Eingabe verunmöglicht, ist nicht verständlich.
Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass es zwei verschiedenen Suchen zu geben scheint: Wer «nur in Bücher» sucht, erhält ein völlig anders aussehendes Ergebnis als mit demselben Suchwort «im ganzen Katalog». Die Trefferliste sieht so anders aus, dass man das Gefühl bekommt, plötzlich auf einer anderen Website zu sein. Hier wird ein wichtiges Konzept verletzt, nämlich die Konsistenz der Bedienung innerhalb derselben Website. Vielleicht liegt dies an der Geschichte der Website (s. letzte Seite) und stelle eine «Post-Merger-Nachwehe» dar. Dann wäre zu hoffen, dass diese Inkonsistenz möglichst bald behoben würde.
Der Einkaufsprozess bei buch.ch funktioniert reibungslos. Ungewöhnlich ist lediglich, dass beim Bestellen automatisch auch ein Konto angelegt wird, ohne dass ein eigentlicher Registrierungsprozess durchlaufen wird. Dies entspricht nicht den üblich Designstandards, und im Test hatten sowohl geübte als aus ungeübte User dadurch Schwierigkeiten beim zweiten Login. Die nach einer Bestellung versandte Bestätigungs-E-Mail ist recht spartanisch.
Lobenswert ist die hohe Aktualität: Am Todestag von Astrid Lindgren hatte buch.ch bereits zwei Stunden nach der Agenturmeldung die Biographie der Kinderbuchautorin zuoberst auf seiner Homepage – früher als alle anderen deutschsprachigen Online-Buchhändler.

directmedia.ch
Directmedia fand im Oktober 2000 breite Beachtung, als der Online-Händler die Offline-Filialen der Kette «citydisc» übernahm. Damals hiess es, man wolle nun einen Multi-Channel-Ansatz fahren, der zum Beispiel beinhaltet, dass man Produkte online bestellen und dann in einem Shop abholen kann. Bei der Bestellung findet man im Auswahlfeld «Lieferart» allerdings neben «per Post» nur den «Directmedia Shop, Zürich», nicht jedoch die rund 30 citydisc-Filialen.
Alle Seiten sind Weiss/Gelb auf Schwarz daher, was bei professionellen Websites so selten geworden ist, dass es den wenigen automatisch einen «Underground»-Anstrich verleiht – vor allem ist es aber schlecht lesbar. Zum Underground passt auch ein Satellitenfenster, das das u.a. den aktuellen Inhalt des Warenkorbs anzeigt, was allerdings in den Tests kein einziger User auf Anhieb verstand, vielmehr dachten alle, es sei eine Werbung.
Die Website ist viersprachig, die deutsche Version ist ein englisch-deutscher Sprachmix. Die Bezeichnungen der Bereiche wie «Musik Shop» oder «Book Shop» existieren alle in mehreren Schreibweisen: gross, klein, mit und ohne Bindestrich. Im «Book Shop» kann man unter «Buch-Suche» zum Beispiel nach dem «Book Autor» suchen.
Für die Volltextsuche muss man wegen der platzsparenden Eingabemaske etwas nachdenken, und die Trefferliste ist ebenfalls nicht sehr übersichtlich. Auf der Ergebnisseite ist der Suchbegriff nicht mehr zugänglich, so dass man für eine neue Suche zuerst zurückspringen muss.
Der Bestellprozess bereitet den Testpersonen keine übermässigen Schwierigkeiten, doch durch wenig übersichtliche Formulare mit viel unnötigem Text brauchen alle Testpersonen etwas länger als bei den anderen Shops. Die Bestätigung per E-Mail kommt per HTML; gefragt, ob man das lesen kann, wird man nicht.
Insgesamt bekommt man den Eindruck, dass die Directmedia-Seiten nicht sehr regelmässig gepflegt werden und dass sie sowohl einen optischen Facelift und als auch etwas mehr Liebe zum Detail vertragen könnte.

cede.ch
Cede ist ein Schweizer Start-up aus Winterthur, das in diesen Tagen vier Jahre online ist und inzwischen 35 Mitarbeiter beschäftigt. Die Site ist in einem fürs Web eher ungewöhnlichen Beige gehalten und wirkt ruhig und aufgeräumt. (Wer nicht gut in Worte fassen kann, was ihn am schwarzen Design von Directmedia stört, soll sich einfach CeDe anschauen.)
Übersichtlich sind die Inhalte in den vier Kategorien aufgelistet. Die Volltextsuche ist auf der Homepage simpel und auf den Startseiten der einzelnen Bereiche detailliert. Missverständnisse oder Fehlbedienungen gibt es so kaum. Zu Beginn wundert man sich ein wenig über die nirgends anders gesehene Marotte, hinter jeder Unterkategorie anzugeben, wie viele Artikel sie enthält («Diese Woche neu: Fantasy: 6»), aber beim Blättern sieht man schnell, dass das praktisch ist.
CeDe schafft das entscheidende Usability-Kunststück: Schon beim ersten Besuch hat man den Eindruck, schon mal hier gewesen zu sein und die Bedienung daher völlig problemlos zu meistern. Die Registrierung und der Einkaufsprozess laufen entsprechend bei allen Testern entspannt und problemlos ab.
Versteckt in der Hilfe findet sich das Angebot: «Solltest Du ausnahmsweise Deinen Lieblingstitel in unserem Katalog nicht finden, so sende uns einfach ein E-Mail mit den Informationsbruchstücken, die Dir bekannt sind». Diese unscheinbare Einladung führt zu 400 Anfragen pro Tag, die kostenlos und unverbindlich beantwortet werden. Ein Beispiel für die Integration von Kundenfeedback, das verkaufsfördernd wirkt, dem Anbieter bei der Verbesserung seines Angebots hilft und zugleich die Kundenbindung erhöht.
Einziger kleiner Wermutstropfen: Beim Bestellen der neue CD von Alannis Morissette, die auf der Homepage als «Pre-Order, 22.2.2002» angekündigt wird ist danach im gesamten Bestellprozess die Rede von «Lieferfrist: 2-3 Tage»; auch im Bestätigungsmail steht nichts anderes. Wer nicht am Anfang flüchtig gelesen hat, wird enttäuscht sein, dass er drei Wochen auf die CD warten muss.

migros-shop.ch
Die Migros hat sich lange bitten lassen, jahrelang mussten wir eine unbedienbare Kühlschrankmetapher anschauen. Nun hat man die ganze Site aufgerüstet und zugleich migros-shop.ch gelauncht.
Dieser kommt sachlich und nahezu einfarbig daher; das einzige M-Logo steht auf einer virtuellen Warenkorb-Tragtasche. Das jeweils eine auf der Einstiegsseite «gefeaturete» Produkt (z.B. «Fruchtsalat Fresh & Quick») wirkt fast etwas verloren.
Die Registrierung ist für alle problemlos, zuletzt darf man auch noch seine Cumulus-Nummer eingeben, denn Punkte gibt es auch online. Über die 15 Kategorien im Bereich «Food» plus 6 im Bereich «Non Food» blättert sich jeder schnell durch den Shop. Für die Volltextsuche zeigen wir unseren Testpersonen einen Kehrichtsack, geben aber kein Suchwort vor. Einige tippen als Suchbegriff «Abfallsack» ein, andere «Kehrrichtsäcke», einer «Müllsack». Eine perfekte Volltextsuche würde die Artikel mehrfach beschlagworten und bei allen zu den richtigen Treffern führen. Beim Migros-Shop führt die Eingabe von «Kehrichtsäcke» zum Erfolg (vier Treffer), «Kehrichtsack» liefert null Treffer, «Abfallsack» mysteriöserweise einen (von den vier Kehrichtsäcken). Ebenfalls erstaunlich ist, dass die Kategorie, in die die Kehrichtsäcke eingeordnet sind, ausgerechnet «Abfallsäcke» heisst. Doch letztendlich findet jede Testperson schnell den richtigen 35l-Sack.
Das Übernehmen in den Warenkorb mit dem entsprechenden Symbol (ein Einkaufswagen mit einem «+1») ist intuitiv, nur die Antwortzeit ist etwas lang. Der aktuelle Betrag erscheint jeweils neben der Migros-Tragtasche.
Registrierung und Bezahlung verlaufen problemlos mit Hilfe eines Schritt für Schritt-Assistenten. Die Lieferzeit kann in verschiedenen Zeitfenstern festgelegt werden, das kleinste Zeitfenster (15 min.) kostet zackige 35 Franken, was aber wirtschaftlich nachvollziehbar ist. Die Bestätigung per E-Mail ist vorbildlich ausführlich und gelayoutet. Der Migros-Shop ist wie die Migros selbst: unspektakulär, aber sehr funktional.

leshop.ch
LeShop ist der Klassiker unter den Schweizer Lebensmittelversendern, er wurde 1998 gegründet und 2001 an die Bon appétit Group verkauft. Am graphischen Konzept wurde seit den ersten Tagen wenig weiter entwickelt, so dass LeShop neben der modernen Migros ein wenig wie der selbstdekorierte Kramladen an der Ecke aussieht. Die Hauptnavigationspunkte verwirren zudem mit unüblichen Rollover-Effekten: Fährt man mit der Maus über einen Begriff, erscheint ein völlig anderer.
Los geht’s mit dem Klicken auf «Alle Produkte», und da das anscheinend nicht jedem klar ist, hat LeShop mit einem Hinweispfeil «Zum Laden» nachgeholfen. Das Hauptauswahlfenster teilt die Produkte in 20 Gruppen mit Bildchen ein – etwa gleich viel wie bei der Migros, aber das System scheint undurchsichtiger. Wir bitten die Testpersonen, eine Pizza zu kaufen, doch der Begriff kommt in der Übersicht nicht vor. Versteckt sie sich hinter «Pasta, Reis, Mehl»? Erst der Rollover-Effekt bringt Klarheit, indem er präzisiert: «Teigwaren, Pizza, Reis, Rösti, Mehl, Zucker» (Wieso jetzt Teigwaren statt Pasta?). Auf der nächsten Ebene verschwinden die Bildchen zugunsten eines auch nicht viel unübersichtlicheren Textauswahlfensters. Die Testpersonen sind verwirrt.
Vielleicht hilft die Volltextsuche weiter. Die Suche nach «Pizza» dauert fast eine Minute und liefert danach sage und schreibe 79 Treffer – von «Assugrin Süssstoff» bis «Terra di Puglia Teigwaren» (einige werden doppelt und dreifach angezeigt, weil mehrfach kategorisiert sind) – aber keine Pizza. Also zurück und doch über die Navigation. Endlich finden wir sieben Pizza-Sorten, die auch alle als «Pizza» gekennzeichnet sind – aber warum sind sie nicht von der Volltextsuche erfasst?
Dass weder das Blättern noch die Volltextsuche vernünftig funktioniert, ist das ärgste Usability-Problem in der gesamten Testserie. Jeder normale Mensch hätte abgebrochen in der Überzeugung, Pizza sei nicht im Angebot – für LeShop ein untragbarer Zustand, der einigen Umsatz gekostet haben dürfte.

Bugfix kam zu spät: coop.ch
Bei Coop begrüsste unsere Testpersonen eine unschöne technischen Fehlermeldung («Internal error code: 0x2101»). Wir probierten es mit verschiedenen Betriebssystemen und verschiedenen Browsern, jeden Tag aufs Neue, doch es änderte sich nichts, und so konnten wir Coop nicht berücksichtigen.
Diverse Telefonate mit Coop brachten schliesslich die Lösung: Der Coop Supermarkt benutzt einen anderen als den Standard-HTTP-Port und hat daher Probleme mit Proxy-Servern. Wer im Browser «Automatische Suche der Einstellungen» eingestellt hat, kommt rein, wer den Proxy-Server explizit angibt (die ursprüngliche und in vielen Firmen immer noch übliche Variante), muss leider draussen bleiben.
Coop versprach, dieses Problem bis zum Erstverkaufstag dieser Netzwoche gelöst zu haben -zu spät, um noch Tests mit Usern durchzuführen.
So muss ein kurzer Eindruck genügen, und der ist gar nicht schlecht. Der Coop-Shop nutzt den ganzen Bildschirm aus: Oben die Hauptkategorien, links die Unterkategorien, in der Mitte die Trefferlisten und Detailseiten, rechts der aktuelle Warenkorb. Der Shop macht auf den ersten Blick den Eindruck, als sei er der Migros etwa gleichwertig.
Nur: Den Firmenusern, die hinter einem Firewall sitzen und daher wie wir bisher ausgesperrt waren, hat das nichts genützt.

Von Peter Hogenkamp

aus: Netzwoche 05/2002

Artikel als PDF:

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