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Warum Hilfe so oft nicht hilft

Die Ergebnisse der neuen PISA-Studie sind da. Spiegel Online veröffentlicht unter dem Titel Wissen Sie mehr als ein Neuntklässler? (über die pseudo-prachtvolle Dachzeile „Pralles Pisa-Paket“ breiten wir den Mantel des Schweigens) ein paar PDFs mit Aufgaben und Lösungen. Die PDFs sind nicht direkt verlinkt, sondern jeweils über ein zwischengeschaltetes Popup:

 

SPON_PISA-Popup_2005-07-14-791728

 

Über dieses kleine Popup könnte man schon eine Menge sagen. Ein paar Dinge nur ganz kurz:

  1. Was soll der viele Platz am Rand? Ich dachte zuerst, da kommt noch irgendwas.
  2. Wozu ein „abweichendes“ PDF-Icon statt dem üblichen? Wiedererkennung wird erschwert.
  3. Warum sind das PDF-Icon und der Titel nicht verlinkt wie vorher im Artikel?
  4. Was soll der epische Satz „Dieses PDF hat eine Größe von 298 KByte.“? Eine Klammer hinter dem Titel mit „Format PDF, 298 kB“ hätte es auch getan. Eigentlich sollte man sogar runden auf „etwa 300 kB“. Aber man will ja eigentlich, dass das CMS sowas automatisch macht, also nehmen wir auch 298.
  5. Wieso sind die Sachen oben (Icon, Titel) und der Link so weit auseinander?

Was ich aber am bemerkenswertesten finde, ist der folgende Hilfetext, der hier als „Tipp“ deklariert wird. (Ein „Tipp“ ist nach unserer Zeix-Anleitungs-Notation etwas anderes, nämlich ein Vorschlag, wie man sich das Leben etwas erleichtern kann, wenn es grundsätzlich bereits funktioniert, aber wir wollen nicht zu detailfixiert werden.)

Vermutung: SPON hatte Supportanfragen von Leuten, bei denen der PDF-Viewer so installiert ist, dass das PDF nicht automatisch im Browser angezeigt wird („inline viewing“). Diese User bekamen eine Fehlermeldung, die sie nicht verstanden, dachten, es läge am PDF und beschwerten sich. In dieser Situation ist der Workaround sicher sinnvoll, das File zuerst auf der Festplatte zu speichern und es dann von dort aus aufzurufen, wobei es mit dem Adobe Reader (ex Acrobat Reader) angezeigt wird, ohne dass der Browser dazwischenfunkt.

Aber wie kommunizieren sie diesen Vorschlag in dem „Tipp“?

Bei Anzeigeproblemen rufen Sie das PDF-Dokument nicht direkt auf, sondern sichern Sie es zunächst auf Ihrem Rechner.
Benutzen Sie hierzu die Mausfunktionen.
Danach können Sie mit einem Doppelklick auf die Datei das Dokument auch offline lesen.

  • „Bei Anzeigeproblemen rufen Sie das PDF-Dokument nicht direkt auf“ — hier ist gemeint: „Klicken Sie nicht einfach so auf den Link ‚PDF anzeigen‘ da unten.“ Vermutlich verstehen es die User trotzdem. Müsste man mit PC-/Surf-Anfängern testen, um es genauer zu wissen.
  • „Sichern“ ist eine wörtliche Übersetzung vom englischen „save“. Die offizielle deutsche Übersetzung seit mehreren Jahrzehnten lautet „speichern“.
  • „Rechner“ ist eindeutig Jargon. Der Laie sagt eher „Computer“. Sowieso hätte ich das Wort ausgelassen durch die präzisere Aussage „Speichern Sie das Dokument zuerst auf Ihrer Festplatte.“ Natürlich könnte man es auch auf einem Memorystick speichern, aber das wird nicht der wichtige Use Case sein.
  • Mein Lieblingssatz ist „Benutzen Sie hierzu die Mausfunktionen.“ Hier gilt: Entweder man weiss, wie es geht (Windows: Link mit rechter Maustaste anklicken, „Ziel speichern unter…“), oder diese Anweisung hilft einem überhaupt nicht. Genau das ist das Hauptproblem der meisten Hilfe-Anweisungen, wie wir in Hunderten von Tests beobachten konnten. Hilfe scheint sich immer nur an die Leute zu wenden, die schon wissen, wie es geht.
  • Vielleicht haben sich die SPONler überlegt, dass sie es plattformunabhängig machen wollen, denn beim Mac heisst der entsprechende Menüpunkt „Link auf Datenträger downloaden“; unter Linux weiss ich es gar nicht. Das ist natürlich immer ein bequemes Argument, aber meist ist es eine Ausrede für Faulheit.
  • „Danach können Sie mit einem Doppelklick auf die Datei…“ – dazwischen muss man sich aber erstmal entscheiden, wohin man sie speichern will, dann nach abgeschlossenem Download entweder das File mit Klick auf „Öffnen“ direkt öffnen, oder den entsprechenden Order öffnen, und dann kann man tatsächlich den Doppelklick machen. Wichtige Regel bei Anleitungen: Keine Schritte überspringen, nur weil sie einem selbst offensichtlich erscheinen. Der Doppelklick ist zudem auch noch Betriebssystems-spezifisch, vgl. oben.
  • „das Dokument auch offline lesen.“ Was ‚offline‘ heisst, wissen vermutlich sogar recht viele, weil sie sich irgendwo anmelden müssen, damit sie online sind. Aber: „offline lesen“ ist die Antwort auf eine Frage, die gar nicht gestellt wurde. Es ging doch in der Hauptsache darum, die o.g. „Anzeigeprobleme“ zu lösen – und nicht Online-Zeit zu sparen.

Fazit: Wer so eine Hilfe anbietet, kann sie sich auch sparen. Spiegel Online als eine der meistbesuchten deutschen Sites würde sich keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie irgendwo eine richtige Anleitung machen würden, wie man Dateien auf der Festplatte speichert und dann anzeigt. Offenbar gibt es einen Bedarf.

Aber Achtung: besser nicht als PDF!

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