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Die vielen Namen der „Handeli“

Mal ein bisschen off-topic: Ich finde es sehr beeindruckend, wenn Journalisten mit einem kleinen Einschub dem Publikum klar machen, dass sie eigentlich vieles noch viel genauer wüssten, aber das jetzt gerade nicht schreiben können, weil das jetzt zu weit führen würde, weil der Leser es sowieso nicht kapiert, oder eben, weil es ja, leider, eigentlich gerade um etwas ganz anderes geht. Ein bisschen lustig wird es allerdings, wenn eben bei dieser kurzen Bemerkung Wissen zum Vorschein kommt, das nicht ganz korrekt ist.

„Das Wissen des Journalisten sei so breit wie der Ozean und so tief wie eine Pfütze“, sagt zwar eine (Journalisten-)Freundin von mir aus Berlin, fällt mir gerade dazu ein.

Beim heutigen Klein-Report war heute wieder Pfütze angesagt. Es geht eigentlich um etwas ganz anderes, nämlich um eine neue Professorin an der Universität St. Gallen. Die Meldung beginnt aber:

Die frühere Handelshochschule St. Gallen (HSG), die jetzt Universität St. Gallen mit dem selben hochkarätigen Kürzel heisst…

(Den Tippfehler „Handeshochschule“ habe ich mal korrigiert.)

Schweizweit kommen Journalisten immer wieder mit dem Namen der Uni durcheinander. Ist halt auch kein ganz konsistentes Branding. Wenn es jemanden interessiert, hier die Geschichte des Namens der HSG.

Quelle:
Georg Thürer: Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1899-1974. St. Gallen, 1974. (Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum)

1899 Gründung als „Akademie und Verkehrsschule“. Die beiden Teile streben allerdings schnell auseinander — schon nach ein paar Jahren haben sie die beiden Flügel des Gebäudes unterschiedlich beschriftet. Rebranding mal ganz praktisch. 🙂

1903 Städtische Handels-Akademie St. Gallen
1911 Städtische Handels-Hochschule St. Gallen
1938
Promotionsrecht
(damit sowas ähnliches wie eine vollwertige Universität, ausser dass man natürlich nicht sehr viele Fakultäten hat, womit ja „universitas“ etwas zu tun hat)

1954 Handelshochschule St. Gallen
nach Einstieg des Kantons St. Gallen in die Trägerschaft. Abkürzung „HHS“, im St. Galler Volksmund „Handeli“.

Wintersemester 1962/63 HOCHSCHULE ST. GALLEN für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Am Hochschultag 1963 Einweihung der neuen Gebäude auf dem Rosenberg (heutiges „A-Gebäude“, Foto)

Ich habe in meiner Zeit bei der Studentenzeitschrift prisma mal in einer alten Ausgabe aus dem Jahr 1962 zum Thema Umbenennung eine lustige Stelle gelesen. Der Autor bedauerte damals, dass sich aus dem neuen Namen „Hochschule St. Gallen“ im Gegensatz zu „HHS“ keine gute Abkürzung bilden liesse. 🙂

Ein Zitat aus dem Thürer, Stand 1974, geht noch in dieselbe Richtung: „Der Ausdruck «Hochschule St. Gallen» bürgerte sich im Gespräch bald ein, die Abkürzung HSG wird seltener gebraucht als z.B. ETH in Zürich.“

Das war 1990, als ich an die HSG kam, definitiv anders. Aus der Fernsicht aus Deutschland war mir die Abkürzung kein Begriff gewesen, und ich weiss noch genau, dass ich es irgendwie affektiert fand, wie alle nur von der „HSG“ redeten, und irgendwie peinlich anbiedernd, dass deutsche Kommilitonen ‚HSG ganz schweizerisch auf dem ersten Buchstaben betonten. (Huhu, Peggy Hillig, damals Kreissel, danke für den netten Empfang, das Schnitzel und die Tipps für die Aufnahmeprüfung. Ist in zwei Wochen 15 Jahre her. 🙂 Damals habe ich es wohl spätestens Weihnachten schon selbst gesagt. Mein Bruder hat sich jahrelang schlappgelacht, wenn ich Schweizerisch ‚PC sagte statt deutsch P’C. Irgendwann zog er dann nach Zürich, begann im Kantonsspital zu arbeiten, und noch im ersten Monat (!) erwischte ich ihn, wie er ‚KG für Krankengeschichte sagte. Ha! Aber zurück zur Sache.

1989 Hochschule St. Gallen für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften

Neues Hochschulgesetz. Den eigenständigen juristischen Lehrgang gab es schon seit 1978, aber man wollte wohl nur dafür ganzen den Papierkram der Umbenennung nicht machen. Ausserdem Bezug des neuen Bibliotheksgebäudes. (Livebild aus dem alten aufs neue Gebäude.)

1995 Universität St. Gallen – Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

Man wollte sich nicht mehr Hochschule nennen, weil die HWVs Anstalten machten, sich in Fachhochschulen umzubenennen, was sie dann ja auch gemacht haben, und „Hochschule“ und „Fachhochschule“ sind halt sehr nah beisammen. Diesen Teil der Begründung finde ich auch wirklich berechtigt.

Zudem wurde aus Kreisen der Verwaltung auch immer wieder berichtet, dass im Sekretariat Leute aus Deutschland mit Fachhochschulreife anriefen und bei uns studieren wollten. Empööörend!

Diese Krücke mit „Universität St. Gallen, abgekürzt HSG“ war der eigentliche Branding-Sündenfall und ist wohl die Ursache der Verwirrung bis heute. Wie will man das auch Externen kommunizieren? Man hat sich damals schlicht nicht getraut, den Laden einfach „Universität“ zu nennen und dann wie 1963 zu schauen, was das Volk daraus macht. Vielleicht „USG“ (habe ich auch schon ein paar Mal gelesen), vielleicht etwas anderes. Wir in der Studentenschaft fanden es damals lustig, dass die Stadtstgallerbevölkerung damals nicht mal das vorletzte Rebranding nachvollzogen hatte. Vor kurzem (2005) haben wir mal ein Haus angeschaut, da sagte die Vermieterin auch zu meiner Freundin: „Ah ja, Sie sind an der HHS.“ Sie (Frischling, erst seit sieben Jahren hier) guckte etwas verständnislos.

Wie auch immer. Was der Volksmund sagt, ist das eine. Aber die Schweizer Nachrichten- und Wirtschaftspresse von Facts über Cash bis eben zum Klein Report, die sollte es eben eigentlich gern mal einmal begreifen und nicht immer noch neue falsche Varianten erfinden. Andererseits, wenn die es nach zehn Jahren immer noch nicht kapiert hat, dann kann es auch nicht nur an deren Ignoranz liegen, sondern man hat auch — tadaa — einen Namen mit einem Usability-Problem. Also war es doch nicht off-topic; nur mein Ausfall gegen den Klein-Report war daneben. Sorry. Ich mag Euch. Aber seid nett zur HSG!

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