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Neues Fernsehprogramm „Das Vierte“ mit flashiger Website

Heute um 20.15 Uhr startet in Deutschland das neue Fernsehprogramm „Das Vierte“. Guter Name, finde ich, mit einem frechen impliziten Anspruch „auf der Fernbedienung auf die 4“, der natürlich dramatisch scheitern wird, aber man kann es ja mal versuchen.

(Pro Sieben ist jetzt 17 Jahre alt und sicher noch lange nicht bei allen auf der „7“ (kenne keine empirischen Daten), trotz diverser Kampagnen, die explizit „Pro Sieben auf die Sieben!“ forderten (habe das gerade mal gegoogelt — und in einer von diesem „Warmduscher“-Listen, die vor Jahren mal modern waren, steht als Warmduscher-Synonym „Pro-Sieben-auf-die-Sieben-Einsteller“ :-). Wer auf der „4“ heute RTL oder Sat.1 hat, wie vermutlich die meisten Deutschen, und das natürlich nicht nur auf dem Fernseher, sondern auch auf Videorecorder, Satellitenreceiver, PVR, Zweitfernseher oder wo auch immer, der wird wohl den Teufel tun, es umzulegen, erstens für so einen Kanal, und zweitens weil die Usability von Sender umlegen bei den meisten der genannten Geräte noch eher zweifelhaft ist.)

Jedenfalls, „Das Vierte“. Sie haben einen Spiegel-Artikel „Basis für mehr“, in der der Sender als „Abspielstation für Konservenware“ von NBC Universal bezeichnet wird (lustig die Bemerkung, dass die in New York natürlich den Namen nicht kapiert haben; noch lustiger finde ich auf der zweiten Seite die IMH-HSG-Werbung mit Prof. Christian Belz, Tippfehler „Durcbruch“ im Quote geht noch, aber ganz, ganz schlimm ist „St. Gallener Vertriebs-Know-how“ – o Gott. Das war immer das allerpeinlichste, wenn wir von der Studentenschaft aus Recruiting-Veranstaltung machten, und dann kamen diese Münchner und Hamburger und sagten: „Ich freue mich, hier an der St. Gallener Hochschule zu sein.“ Schon verloren!), sie machen diese nervige Werbeform „Wallpaper“ bei Spiegel Online, über die auch noch mal etwas zu sagen sein wird, sie machen schon den ganzen Tag Radio- und vermutlich gleich auch Fernsehspots, muss mal reinschauen, und sie haben natürlich eine Website unter http://www.das-vierte.de/. Diese Website ist mal wieder das pixelgewordene Argument für fast alles, was schlecht ist an Flash.

Ist auch von Jung von Matt/next konzipiert, die Werber lernen es einfach nie, dass es im Web nicht nur CD-konform aussehen muss.

Ich sag nur ein Argument, den Rest seht Ihr dann selbst. Man kann doch nicht „<>“ und „<>“ mit diesen schlimmen Bedienelementen und dann noch gleich oben nebeneinander bauen. Nur weil beides was mit Zeit zu tun hat, was für ein akademischer Ansatz! (Sonst brauchte man übrigens noch „Monat wechseln“ und „Jahr wechseln“.)

Aufeinander folgende Fernsehsendungen desselben Programms stehen nun mal, seit es Fernsehzeitungen gibt, also vermutlich seit etwa 50 Jahren, untereinander! Das ist online nicht anders. Das Scrollen nach unten, und zwar am besten mit dem Mausrad, an das sich die User wunderbar gewähnt haben, ist die natürlichste Art, sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Machen auch die meisten Sender so, z.B. SF1, ARD, ZDF, Sat.1. (Pluspunkt für SF DRS, endlich mal einer, dass die Seite zur aktuellen Zeit springt!) Wer alle vier Sites anklickt, sieht in der Gegenüberstellung ganz gut, dass die eine Hälfte der Aufbereitung standardisiert ist, nämlich dass die Sendungen wie gesagt nach Zeit untereinander stehen, aber das andere Navigieren, nämlich den Tag zu wechseln, keinesfalls. Da gibt es Buttons, Kalender, Links etc. Hier ist die ARD sogar ziemlich nah am „Vierten“ dran, nämlich auch mit „Zurück“- und „Weiter“-Buttons (die ich nicht optimal finde, aber für die subtilen Unterschiede müsste man testen).

Also nach diesem Vergleich jetzt nochmal, bei der Uhrzeit geht das eben nicht, dass die Dimension „Zeit wechseln“ auch in der Horizontalen abgebildet wird. Ich würde ziemlich viel wetten, wenn man den Blickverlauf anschaut, während die User das Tagesprogramm überfliegen wollen, dass jeder sofort nach einer senkrechte Scrollbar sucht. Schlimm genug, dass die in Flash oft ganz anders funktionieren als in Windows — hier hat man sie gleich ganz weggelassen. (Übrigens, wenn man „Wochenprogramm“ klickt, kommt eine einigermassen erträgliche html-Seite, aber nein, die Homepage, die ist ja soo wichtig, die musste man also extra teuer machen, haben die von der Agentur gesagt, und jetzt ist sie unbrauchbar.)

Also, liebe Deutsche (wir haben es natürlich nicht im Kabel, ich werd’s verkraften, obwohl ich Scent of a Woman mochte, damals vor 13 Jahren im Kino), in einer halben Stunde geht’s los, viel Spass beim Glotzen, vielleicht schafft „Das Vierte“ ja das avisierte Prozent Marktanteil, aber dann sicher nicht wegen, sondern trotz der Website. Weil man ja auch ganz gut glotzen kann, ohne die Website zu nutzen.

Kommentare

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Angie

29.08.2006 - 7:59

TV 3, der nur kurz überlebende Schweizer Privatsender – hat übrigens damals auch ziemlich Kampagne gemacht um auf der Fernbedienung auf die 3 zu kommen. Anscheinend erfolglos.