Modern sind ja seit einiger Zeit „Watchblogs“, zuerst in den USA, dann auch in Deutschland, dort vor allem der BILDblog.
Definition der NZZ: „Es handelt sich um Weblogs, die nach US-amerikanischen Vorbildern die Berichterstattung einzelner oder mehrerer Medien verfolgen, kritisieren oder sogar mit Recherchen kontern.“ Skeptische Anmerkung der NZZ, weiter unten im selben Artikel:
Die Watchblogs erheben dagegen den Anspruch, im Sinne einer kritischen Öffentlichkeit die traditionellen Träger der Meinungsbildung zu kontrollieren. Diesem Anspruch können sie noch kaum verlässlich gerecht werden. Persönliche Vorlieben und Abneigungen, mangelnde Urteilsfähigkeit und ein manchmal selber kritikbedürftiger Umgang mit journalistischen Sorgfaltspflichten machen sie zu schillernden Kronzeugen der Anklage gegen die «Mainstream»-Medien. Alle Zweifel, die das Publikum der konventionellen Medienberichterstattung gegenüber hat, lassen sich auch gegen die Watchblogs ins Feld führen.
Ja, aber das wäre ja auch noch schöner, wenn die Blogs eine Art Gegen-Zeitung darstellen wollten. Wie will man das denn machen, mit einer Handvoll Teilzeitler gegen hundert Vollzeit-Journalisten? Für mich geht es einfach darum, dass da einer aufmerksamer liest als ich und umstrittene Passagen herausstreicht. Eine Meinung BILDe ich mir dann schon selber, wie es die BILD auch in ihrer Werbung von mir verlangt.
Welche Watchblogs braucht es in der Schweiz? Nachdem 20 Minuten vor einiger Zeit mit Getöse die Position der grössten Tageszeitung übernommen hat (und auch kürzlich mit einem eigenen Pendlerblog dafür „belohnt“ wurde), wird Hans Schneeberger, Chefredaktor des „Migros Magazin“, ehemals Brückenbauer, in seinem Editorial nicht müde zu betonen, dass sein Blatt aber bitte die „auflagenstärkste Publikation“ der Schweiz ist, mit 2.36 Millionen. Donnerwetter. Wenn die Migros Genossenschaft Ostschweiz eine Urabstimmung macht, dann schreiben Hunderte von Leserinnen und Lesern auf die Stimmkarten, was Ihnen am Magazin gefällt oder nicht, und die in Gossau haben auch noch Zeit, die Karten nach Art der Bemerkung zu sortieren und die Magazin-Karten nach Zürich zu schicken. Ich hoffe nur, das zahlt alles das Kulturprozent.
Also, Herr Schneeberger, meinen Stimmausweis hab ich irgendwie verpasst, aber hier ist meine virtuelle Karte:
1. Ich finde es super, dass Bänz Friedli, der ehemals megacoole Pendlerblogger, äh -kolumnist aus eben dem 20 Minuten, leider habe ich das Buch verschenkt, eh ich es ganz gelesen hatte, jetzt im Migros Magazin über sein Leben als Hausmann schreibt, die erste Kolumne hat mit Sibe chugelrundi Söi auch einen guten Titel, der mich voll anspricht — aber ich hab Angst, ich verpasse es im Heft zu oft. Könnten Sie bitte einen RSS-Feed der Kolumne machen?
2. Diese verschnörkelten Rubrikentitel (wie Diese Woche, Scheinwerfer und ein Dutzend weitere) finde ich ganz, ganz schlimm. Sie sehen aus, als wären sie auch schon 80, man kann sie nicht gut lesen, und online sind sie Migros-orange und im Heft schwarz. Letzteres wäre das kleinste Problem.
3. Die Doppelseite Nur so eine Frage, bei der es online nur sechs Nasen schaffen, veröffentlicht zu werden, aber im Heft sage und schreibe sechsunddreissig, kann ich wirklich nur bei schlimmsten Prokrastinationsanfällen lesen. Und wenn die Leute dann noch so dummes Zeug antworten, wie auf die Frage „Welcher alte Mensch hat sie beeindruckt?“, mit „Thomas Edison, weil er die Glühbirne (…) erfunden hat“ (Edison wurde zwar in der Tat alt, nämlich 84, aber die Glühbirne hat er schon mit 32 erfunden), dann muss man eben einfach länger fragen, bis die Leute was Schlaueres sagen, im Sinne der Volksbildung. „Meine Grossmutter“ sagen ja eh die meisten, das ist nie verkehrt.
4. Ehrlich gesagt, die Rubrik Parkett, die würde ich einfach weglassen. Hier fehlt einer Wochenzeitschrift irgendwie die Aktualität, und um dieses Manko mit Hintergrundanalysen zu kompensieren, da fehlt wohl leider auch das geeignete Personal, jedenfalls denke ich das, wenn ich diesen Satz lese:
„Wie soll die amerikanische Regierung auch wissen, wie man anständig Krieg führt? Mit Ausnahme von Aussenminister (und Vietnam-Veteran) Powell hat ja keiner von Bushs Truppe je an der Front gekämpft.“
Tja. Wie gesagt, Ihr seid keine Tageszeitung, aber Colin Powell ist seit dem 26. Januar 2005 nicht mehr im Amt, das sind doch auch schon wieder 36 Wochen. Wenn Sie mal bildlich sehen wollen, wie lange das ist, schauen Sie sich doch einfach die Seite „Nur so eine Frage“ an und denken Sie sich für jedes Bildchen… ok, auch egal.
5. Solche Pro-Bauen-PR-Artikel wie „Alles Notwendige unter einem Dach — Einkaufszentrum Zugerland: Ein überzeugendes Projekt für vernünftiges Einkaufen“ ins Heft zu hieven, finde ich völlig in Ordnung — dafür hat man es ja schliesslich. Ich bin sehr gegen immer nur Nicht-Bauen, sei es wegen Schattenwurf oder etwas anderem. Aber irgendwie finde ich den Tonfall etwas eingeschnappt, vor allem gegenüber dem unten zitierten Tagi. Das habt Ihr doch nicht nötig, der Tagi hat doch nur 230’000 Auflage, also schlappe zehn Prozent von Euch.
6. Jetzt kommt endlich Core-Usability: Dass auf der Website, wenn man unten in der Navigation auf eine Rubrik aus dem Bereich „Service“ klickt, zum Beispiel auf Archiv, der ganze Bereich in der Navigation nach oben springt, das macht man nicht, weil das beim Surfen komplett verwirrt. Einrücken, zusätzliche Punkte aufnehmen etc. darf man, aber nicht einfach alles umschmeissen. Ausserdem finde ich es immer schade, wenn das CMS Artikeln nur eine Nummer gibt („?id=11244“) statt eines echten Titels. Google ist da übrigens beim Indexieren meiner Meinung.
Soviel erstmal. Ich trete den Job als MM-Watcher übrigens nicht an, habe ich gerade entschieden, das hier war nur eine Gastkolumne.
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