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Fotodruckautomaten: Wartezeit als Hauptumsatzkiller?

War gestern im Media Markt und habe ein paar am Morgen geschossene Fotos unseres Sohnes an so einem Sofort-Drucken-Automaten ausgedruckt. Wo immer ich unterwegs so eine Kiste sehe, probiere ich sie aus; leider funktionieren die meisten ja mit „Hochladen-und-zwei Tage-später-Wiederkommen-und-die-Tüte-mit-meinem-Namen-suchen“, und daran denke ich überhaupt nicht; das habe ich erst zweimal in den Ferien gemacht. (Bisher konnte ich etwa fünf verschiedene Systeme testen. Das beste war aus der Erinnerung in Deutschland bei „Ihr Platz“; das war allerdings eins mit Warten und Wiederkommen.)

Die Zahlung erfolgt entweder per Münzeinwurf oder mit einer Quittung, die mit den Bildern herauskommt und die man an der Kasse bezahlt, also dasselbe Prinzip wie an der Fleischtheke im Supermarkt.

Bin gerade nicht ganz sicher, aber ich glaube, der Automat war von Prontophot, der Firma, die alle öffentlichen Orte in der Schweiz mit diesen Fotoautomaten vollgestellt hat — und ihre Website mit einer Flash-Übersicht der Automatenfunktionalität mit ganz schlimmem Sound.

Kurz zur Value Proposition des Automatenprintings: Hauptvorteil ist natürlich, dass man die Bilder mehr oder weniger sofort (s.u.) hat und dass die Qualität dabei m.E. etwas besser ist als beim Homeprinting; auch ist das eigentliche Drucken weniger Fummelei, ich bin nicht so der Logistiker, der zuhaus immer das richtige Fotopapier zur Hand hat. Nett ist auch, dass die Rückseite wie eine Postkarte gestaltet ist, so dass man die Fotos gleich in den Briefkasten werfen kann; die Grosseltern freuen sich. Andererseits ist die Qualität natürlich deutlich schlechter als bei richtigen Fotolabors wie Photocolor oder Pixum. Sprich, wenn man davon ausgeht, dass man von den schönen Fotos, die einem wichtig sind, sowieso noch mal dort Abzüge in guter Qualität bestellen wird, dann hat man einfach eine Art schlechtere Vorabkopie, für 50 Rappen pro Stück, also doppelt so teuer wie bei den günstigen Labors. Insgesamt eine Rechnung, die für mich manchmal durchaus aufgeht, wenn ich gerade an so einem Automaten vorbei komme, aber ich würde weder extra hinfahren noch würde ich jemals 50 Bilder an so einer Kiste printen lassen; dafür ist Upload/Post die bessere Kombination.

Nun zur Usability. Um alle Schritte zu kommentieren, müsste man alle Seiten fotografieren, was ich gestern mal noch nicht gemacht habe. (Vor allem, solange ich mit dem grottenschlechten Fotoupload von Blogger arbeite; aber hier ist Rettung unterwegs.) Ich würde sehr gern mal einen Test mit Usern machen, ich bin sicher, das gäbe spektakuläre Ergebnisse. (In allen Media Märkten, wo ich das bisher probiert habe, kam auch immer ein Verkäufer und fragte, ob ich Hilfe brauche. Spricht eine deutliche Sprache.) Die Interfaces sind sehr unterschiedlich: wie man Fotos zum Druck auswählt, wieder deselektiert, das Format auswählt, oder fortgeschrittene Manipulationen macht wie Ausschnitte auswählen, Rotaugenreduktion und so weiter. Bei dem Automaten gestern sah man zum Beispiel alle Bilder zuerst nur als Thumbnails — sobald man einen davon vergrösserte, war das Foto gleich im Warenkorb. Das wieder rückgängig machen ging nur durch Klick auf einen Linkspfeil mit „Menge minus 1“. Na ja.

Generell wird natürlich versucht, soviel Verkauf wie möglich zu pushen. Verständlich, aber ist das der Mehrwert der Digitalfotografie? Es überrascht insofern nicht, dass alle Automaten gleich auf die erste Seite einen grossen Button bringen: „Alle Fotos von der Karte drucken.“ Das war eben der Standard-Use-Case in der Analogzeit, also wird hier mal wieder versucht, einen untergeordneten Use Case als den dominanten zu verkaufen. Das Überlisten dürfte zumindest bei der Cash-Variante nicht funktionieren, denn hier prepaid der Kunde ja: Wer 100 Fotos auf der Karte hat und tatsächlich OK – OK drücken würde, bekäme sofort die Antwort, jetzt bitte unten rechts eine Fünfzigernote einzuschieben — bin nicht sicher, wie viele das dann machen würden. Bei der PostPaid-Variante mit der gedruckten Quittung dagegen könnte tatsächlich jemand einfach OK – OK drücken, und los ginge es.

An dieser Stelle kommt meiner Meinung nach ein gravierendes Usability-Issue ins Spiel, bei dem die Applikation gar nicht daran denkt, es einem mitzuteilen, bevor es losgeht: die Ausdruckzeit. Jedes Bild druckt etwa 30 Sekunden, d.h. der mit den 100 Fotos auf der Karte, der tatsächlich, bewusst oder nicht, 50.- investiert, weil er vielleicht die Bilder schnell braucht, verbringt die nächsten 50 Minuten im Mediamarkt vor dieser Kiste — der Countdown, wie lange es noch dauert, wird zwar eingeblendet, aber eben erst nach Druckstart. Während unten nach und nach meine schon bezahlten Fotos mit in der Regel privaten Inhalten in den Ausgabeschacht purzeln, werde ich aber kaum eine ausgedehnte Runde durch den Media Markt machen. Ich musste gestern nur einmal 5 Minuten und dann nochmal 2 Minuten (zwei Speicherkarten von zwei Kameras — geht leider nur mit zwei getrennten Jobs, auch nerv…) warten, und die Zeit wurde mir schon extrem lang, zumal ich währenddessen Digitalkameraverkaufsgespräche anhören musste („Was ist Ihnen denn wichtig bei einer Digitalkamera?“ – „Sie soll einfach zu bedienen sein und gute Fotos machen.“ – „Dann empfehle ich eine mit vier Millionen Pixeln.“)

Fazit

Die Anbieter der Automaten wollen zwar, dass die Leute möglichst viele Fotos drucken, aber die Wartezeit ist meiner Meinung nach eine noch grössere Hürde als der Preis. Kann man dieses Problem lösen? 50 Minuten wären kein Thema, wenn man den Service etwa in einem Einkaufzentrum anbietet. Bei meinem Besuch starte ich zuerst den Fotodruck, gehe dann andere Besorgungen machen und hole am Ende meine Fotos ab. Ein sinnvoller Gesamtprozess ist aber trotzdem nicht einfach aufzusetzen: Die Auswahl der Fotos sollte im Self Service laufen (ich will sicher nicht mit so einer Blonden hinter der Theke zusammen entscheiden, welche Fotos ich drucken will, daher war ich auch noch nie im Shopville bei „Minit 1 Foto“; ist zusätzlich auch sauteuer, glaube ich), das Aushändigen dagegen „bedient“. Schwierig. Bin gespannt, ob uns jemand mit einer Lösung überrascht.

OK, und zwei Fotos habe ich natürlich doch noch gemacht. Sorry für die Reflexionen.

Erstens: Was ist hier jeweils aktiv, Ja oder Nein?

Ein Standardproblem, dass Designer denken, weil das Prinzip — „dunkel ist aktiv“ oder „hell heisst aktiv“ — auf anderen Seiten der Applikation schon eingeführt wurde, weiss der User es ja schon, daher ist so eine Maske eindeutig. (DVD-Menus sind exzellente Beispiele für dasselbe Phänomen.) Blödsinn. Ich wusste es hier nicht. Duch sorgfältiges Studieren des gesamten Bildschirms kann man sich die Lösung erschliessen, aber das kann es ja wohl nicht sein.

Das andere Beispiel bezieht sich nicht auf die Applikation, sondern auf das Gerät selbst. Ist ein Klassiker dafür, wie „Aber es steht doch dort!“ (Argument des Designers) nicht reicht, sondern es muss eben so dort stehen, dass es auch wirklich jeder sieht, sonst gibt’s Ärger.

Beim Wechselgeld verstehen die Leute keinen Spass, denke ich (zumal der Automat auch Noten akzeptiert, da kommen grössere Differenzen zustande), und nachdem sich vermutlich zu viele beschwert hatten, obwohl ja unten in der roten Zeile in vier Sprachen „kein Rückgeld“ steht, hat man halt zusätzlich lieber noch einen gelben Kleber gemacht, der noch mal genau dasselbe in gross sagt, um die Anzahl der Beschwerden zu reduzieren. Wie schön wäre es, wenn die Leute sich auch bei Usability-Problemen so beschweren würden, dann wären wir schon viel weiter.

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