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Halbprivate Bastelwebsites

Es gibt sie immer noch, wohl zu hunderttausenden, die privaten und halbprivaten Bastelwebsites, die der Neffe der Nachbarin gemacht hat, weil der sich immer schon mit Computern so gut auskannte. Natürlich haben sie auch nach wie vor ihre Berechtigung, denn wer nur eine elektronische Visitenkarte will, wieso sollte der 20’000 (Währung egal) bei einer richtigen Webagentur liegen lassen? Und der Neffe der Nachbarin verdient sich ja gern ein bisschen was dazu. Win-win? Na ja, mal überlegen.

In der Tagesschau habe ich vor ein paar Tagen gesehen, dass Gerhard Schröder, über dessen Zukunft ja im Moment heftig spekuliert wird, bei seiner alten Kanzlei in Hannover noch auf dem Schild steht, mit dem Zusatz „übt seinen Beruf zur Zeit nicht aus“.

Habe sie jetzt mal ergoogelt. Es handelt sich um die Rechtsanwälte von Fromberg und Collegen. (Na ja, „Collegen“ mit C, darüber hat sich Wolf Schneider schon 1986 in Deutsch für Profis lustig gemacht: „Chic gilt als schicker als schick — in einer Ceit, die Cigaretten liebt.“ Andererseits, in Hamburg steht auch auf den Strassenschildern „Centrum“; vielleicht ist das da oben einfach so.)

In den frühen Tagen meines Blogs in 2003, als ich noch nicht so oft schrieb, weil ausser Marcel noch niemand las, habe ich mal geschrieben: Website ohne Inhalt – wieso nicht?. Dazu stehe ich nach wie vor — und freue mich, dass sogar die Beispiele noch laufen.

Nur: Das ist funktionierender Minimalismus. College Götz-Werner von Fromberg dagegen wollte ja eigentlich eine richtige Website machen, nur haben sie das nicht geschafft. Am besten gefällt mir das Foto von Fromberg selbst auf seiner Seite, das sieht aus, als sei es mit einem Fotohandy (der ersten Generation) geschossen. Unfreiwillig komisch auch die meist viel grösseren Bilder der Sekretärinnen daneben. Ja, bei den Anwälten, da gibt’s die wenigstens noch, sind noch nicht wegrationalisiert, aber der Klient sieht auch sofort, wenn er immer mit durchfüttern muss. Auch schön ist das Haltestellenschild mit dem reingefrickelten „Fromberg“ auf der Homepage. Es verwundert nicht weiter, dass der Link tot ist.

Diese Website hat übrigens doch nicht der Neffe der Nachbarin gemacht, sondern „Dipl. Ing. Frank Andrees Jörg Lemmer GbR“ („Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ ist das Pendant zur Schweizer „Einfachen Gesellschaft“, die Firmenform der Wahl, wenn man keine Firma gründen will). Fast lustig, dass er schreibt, Schwerpunkt sei „die inhaltliche Konzeptionierung komplexer Internetanwendungen“. Würde dann gern mal das Ergebnis einer komplexen sehen.

Aber genug des nicht böse gemeinten Bashing. Ich will ja etwas sagen, und zwar vier Punkte:

1. Nach wie vor muss nicht jede Website aussehen wie die von einem Konzern. Es gibt eine Daseinsberechtigung, sowieso für private Websites, auf der Leute ihre Familie oder ihren Sportverein vorstellen, und auch für eher schlichte KMU-Websites.

2. Es ist leider seit fast zehn Jahren unverändert so, dass die beauftragten Hobby-Webdesigner denken, es wirke professionell, wenn sie möglichst viele Effekte einbinden, auf die sie stolz sind, weil sie sich die selbst beigebracht haben, wie eine Laufschrift in der Statuszeile oder die Einbindung eines animierten Brief-GIFs neben der Mailadresse, und und und. (Seit Jahren verlässlich als Beispiel für alles gleichzeitig ist switzerlandmarket.com.)

3. Problematisch wird die ganze Positionierung, wenn man eine hochwertige Dienstleistung anbietet, für die man auch gutes Geld nimmt. Fromberg nimmt einem vermutlich 150 Euro die Stunde ab, und dafür darf der Klient wohl erwarten, dass er professionell auftritt. Man stelle sich vor, Fromberg würde immer im T-Shirt zum Klienten gehen, weil ihm die Reinigung der Hemden zu teuer ist. Oder seine Kanzlei wäre in einer Halle im Industriegebiet wegen der günstigeren Miete. Oder er hätte keine Visitenkarten, sondern würde jeweils fragen: „Haben Sie mal einen Zettel? Ich schreib Ihnen meine Nummer auf.“ Alles völlig undenkbar. Aber bei der Website, da reicht die Bastellösung. Man kann sich über den genauen Grad der Katastrophe streiten, aber auch für einen „normalen“ Anwalt und Notar, ohne Gerhard Schröder auf dem Schild, ist sie unterhalb der Zumutbarkeitsgrenze, finde ich.

4. Woran liegt das? Ich denke nicht, dass Götz-Werner von Fromberg eine schlechte Website machen wollte. Vielmehr können die KMU-Auftraggeber von heute immer noch nicht „einfach, aber erfüllt den Zweck“ von „peinliche Versuchswiese“ unterscheiden können. Natürlich, viele haben dieses Judgement auch in anderen Bereichen nicht, wie jeder sehen kann, der auf der Autobahn die Beschriftung von mittelständischen Lkws anschaut. Aber es scheint mir immer noch, dass es im Web viel, viel schlimmer ist.

Dabei müsste er nur 2000 Euro für einen Grafiker ausgegeben, der auch ein bisschen html kann, und nicht für einen Dipl.-Ing., der zwar ein bisschen html kann, aber sonst nichts, und schon wäre das Problem deutlich entschärft.

Kurzfristig habe ich leider wenig Hoffnung.

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