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Self Check-in bei Flugreisen: Bordkarte Marke Eigenbau

Über Selbstbedienungsautomaten soll ein grosser Teil des Check-in-Volumens an Schweizer Flughäfen abgewickelt und damit Kosten und Wartezeiten gesenkt werden. Doch dieses Konzept funktioniert nur bedingt. Woran das liegt, zeigen die Ergebnisse des Usability-Feldtests am Flughafen Zürich.

Donnerstagmorgen, 7.30 Uhr, Check-in-Halle 2, Flughafen Zürich. Im Hintergrund: reges Treiben im Check-in-Bereich. Eine Schulklasse auf dem Weg nach Polen blockiert drei Check-in-Schalter, eine lange Schlange bildet sich am Check-in für einen USA-Flug, nervöse Passagiere suchen auf dem riesigen Abflug-Bildschirm nach dem richtigen Schalter. Im Vordergrund: sechs verwaiste Check-in-Automaten. Kaum einer sieht sie, kaum einer nutzt sie.

Zwei Stunden später, gleicher Ort. Um dieselben sechs Self-Check-in-Automaten scharen sich Flugpassagiere. Meist nicht freiwillig, denn jetzt leitet eine Check-in-Angestellte den Passagierstrom vom Schalter zu den Automaten. Dasselbe Bild präsentiert sich uns in der Check-in-Halle 1. Die Idee dahinter: Wer die Hürde des Self Check-in ein erstes Mal genommen hat, weiss, wie einfach und schnell es geht und wird es wieder versuchen. Ziel bis zum Ende des Jahres sei es gemäss Swissport, die die Bodenabfertigung für diverse Fluggesellschaften durchführt, dass die Hälfte der Passagiere über die Automaten oder das Internet einchecken. Dadurch sollen nicht nur Kosten gespart, sondern auch die Infrastruktur entlastet werden, die heute ein Mehrfaches des ursprünglichen Passagieraufkommens bewältigen muss.

Personaleinsparungen sind im Checkin 1 jedoch bislang nicht auszumachen. Im Self-Check-in-Bereich sind fast genauso viele Schalter besetzt wie am bedienten Check-in. Denn neben den Gepäckschaltern sind mehrere Helpdesks in Betrieb. Mehrere Angestellte leisten zudem permanent Hilfestellung vor Ort. Und Hilfe wird geschätzt, denn nur die wenigsten Passagiere wagen sich allein an die Automaten. Dabei ist in der Theorie alles ganz einfach: der Passagier geht zum Automaten, gibt seine Buchungsnummer ein und erhält seine Bordkarte viel schneller als am Schalter. Im Test beobachteten und befragten wir die – mehr oder minder – freiwilligen Automatenbenutzer in Bezug auf ihr Nutzungserlebnis.

Ich bin auch ein Zug – oder nicht?

Reisende, die die Self-Check-in-Automaten von sich aus nutzen, wissen die Zeitersparnis zu schätzen und wählen diese Variante, wann immer es geht und auf der ganzen Welt. «Das ist doch toll! Ich muss mich nicht anstellen und mit keinem sprechen», erklärt ein Vielflieger. Warum so viele andere den bedienten Checkin-Schalter bevorzugen, klärt sich ebenso rasch. Augenfällig ist eine gewisse Furcht vor der unbekannten Maschine. Einige Passagiere winden sich förmlich, wenn sie das Personal vom Nutzen der Self-Check-in-Automaten überzeugen will: misstrauische Blicke, ratloser Gesichtsausdruck, zögerliche Annäherung. Viele Reisende warten, bis eine Assistenz frei wird, erst dann bedienen sie den Automaten. Gemäss Swissport scheuen auffallend viele junge Leute die Automaten. «Dabei sind Junge das doch am ehesten gewohnt. Und man kennt das ja von jedem Bahnhof. Dort muss man sich sein Ticket auch am Automaten holen », so ein Angestellter.

Genauso wie am Bahnhof ist es aber doch nicht: Fliegen ist für viele eine Ausnahmesituation. Die Abläufe sind weniger alltäglich und wesentlich komplexer, der Flug hat viel gekostet, die Ferien oder der Geschäftstermin stehen auf dem Spiel – die Angst, etwas falsch zu machen, ist um ein Vielfaches grösser. Das Schalterpersonal hingegen sagt, wenn etwas nicht stimmt, und man kann nachfragen, wenn man etwas nicht versteht. Diese Kompetenzen werden den Automaten fast gänzlich abgesprochen. «Ich könnte versehentlich meinen Flug annullieren», meint ein knapp zwanzigjähriger Bursche, der zum ersten Mal allein in die Ferien fliegt auf die Frage, was denn Schlimmes passieren könnte.

Weitere Gründe, lieber am Schalter als am Automaten einzuchecken, zeugen von den Fragen, die der Ablauf des Check-ins mit Automaten beim Fluggast offenlässt: «Es geht nicht, wenn ich Gepäck habe», «es geht nicht mit Kindern», «es geht nicht, wenn wir benachbarte Sitzplätze wollen», «es geht nicht mit einem Stand-by-Ticket». Alles falsch. Erklärt wird dies jedoch nirgends. Ein ideales Medium, um solche Fehlannahmen abzufangen, liegt sozusagen brach: der zweite Flachbildschirm auf jedem Automaten, der nur für die Aufschrift «Self Check-in» verwendet wird. Eine einfache Ablaufbeschreibung, die dem Passagier erklärt, wie der Check-in-Prozess funktioniert, was er für Möglichkeiten bietet, was er nach erfolgreichem Abschluss in den Händen hält und ganz einfach die Botschaft vermittelt «es kann nichts schiefgehen», könnte bei manchem Fluggast die anfänglichen Bedenken zerstreuen.

Komplexes bleibt komplex

Das Lösen der Bordkarte am Automaten kann auch bei Erstbedienung recht einfach sein. Vorausgesetzt man reist allein, ohne Gepäck und mit direktem Flug in ein Land ohne Sonderbestimmungen. Man wählt seine Fluggesellschaft, gibt die E-Ticket-Nummer ein, bestätigt den Flug und den Sitzplatz, beantwortet zwei kurze Sicherheitsfragen – fertig. So hält ein Air-Berlin-Reisender, der zum ersten Mal einen Self-Check-in-Automaten benutzt, die ausgedruckte Bordkarte nach nur knapp drei Minuten in den Händen und meint: «Das war jetzt aber einfach!»

Anders sieht es bei komplexeren Flügen aus, etwa mit Anschlussflug, mit einem oder mehreren Gepäckstücken, mit mehreren Personen. Reisende in die USA – ein Land mit vielen Sonderbestimmungen – verbringen leicht 20 Minuten vor dem Bildschirm, weil sie den Reisepass einlesen und diverse Angaben, wie die Hoteladresse des ersten Aufenthalts, von Hand eingeben müssen.

Während unserer Feldtests kam es jedoch auch in scheinbar einfachen Fällen häufig zu Abbrüchen. Ein Grund dafür ist die Fehlerträchtigkeit des Systems, für die oft nicht einmal das Check-in-Personal eine Erklärung hatte. Ein anderer Abbruchgrund liegt in der Tatsache begründet, dass die Software die nicht durchgängig standardisierten Prozesse verschiedener Fluggesellschaften, inklusive aller historisch bedingten Eigenheiten und Sonderbestimmungen, auf einen gemeinsamen Nenner bringen muss. So werden nicht sämtliche Anwendungsfälle abgedeckt. Ein nicht einheitlich verwendeter Code in der Buchung, eine bestimmte Vielfliegerkarte oder zwei verschiedene Flugnummern für einen Flug führen oft dazu, dass eine unspezifische Meldung erscheint, sich an den Helpdesk-Schalter zu wenden. Dorthin werden die Passagiere auch verwiesen, wenn die Software oder der Bordkarten-Drucker streiken – gerade für Gelegenheitsflieger ein Stressfaktor im Abflugprozedere.

Touchscreen-Tücken als Bremsklotz

Seine Flugdaten gibt der Passagier über den Touchscreen des Automaten ein. Mit wenigen Ausnahmen funktioniert dies gut. Als Bremsklotz erwies sich das dürftige Feedback des Automaten beim Eintippen der 13-stelligen E-Ticket-Nummer. Weil der Automat nur mit einem kurzen Blinkzeichen unter der Fingerkuppe auf die Eingaben reagiert, passiert es schnell, dass eine Zahl gar nicht oder doppelt ausgewählt wird. Zudem nimmt der Fluggast die Fehleingabe im nach links versetzten Anzeigefeld oft nicht wahr, weil er sich darauf konzentriert, rechts auf dem Bildschirm die richtige Zahl zu tippen. Hier wäre es sinnvoll Zehnerblock und Eingabezeile gemeinsam ins Blickfeld zu rücken und jede Eingabe deutlich zu quittieren – sowohl akustisch als auch optisch, indem etwa die bereits besetzten Felder der Eingabezeile farblich invertiert würden.

Wurde die E-Ticket-Nummer richtig eingegeben, erscheint der Name, auf den die Buchung lautet. Weitere Mitreisende können gleich mit eingecheckt werden. Durch Klicken auf ein Plus- oder Minuszeichen kann man in einem weiteren Schritt recht intuitiv die Anzahl Gepäckstücke angeben; keine unserer Testpersonen scheiterte hier. Schliesslich werden alle Angaben in einer Übersicht zusammengefasst und lassen sich noch einmal ändern. Leider versteckt sich diese Funktion hinter roten Dreiecken, die eher wie Gestaltungselemente aussehen, nicht aber auf eine Funktion schliessen lassen. Zwar steht ein Hinweis dazu im Bildschirmkopf, dieser tarnt sich jedoch als Seitentitel und wurde im Test von den Passagieren oft übersehen. Vielen Fluggästen entgeht deshalb, dass sie ihren Sitzplatz ändern und sogar Mitreisende neben sich platzieren könnten. Hier wird die Chance verpasst, diesen Zusatznutzen zu kommunizieren.

Einmal entdeckt, macht die Sitzplatzauswahl beinahe Spass: man kann sich im abgebildeten Flugzeugrumpf vor- und zurückklicken und sieht, ähnlich wie bei der Online-Kinoplatzreservierung, welche Plätze frei und welche bereits besetzt sind. Erlaubt der Flug die freie Sitzplatzwahl, besteht hier die Möglichkeit, den bevorzugten Platz – etwa toilettennah oder nicht über den Flügeln – selbst auszuwählen.

Feedback gibts beim Personal

Das Eintippen der langen E-Ticket-Nummer erspart man sich, wenn man eine der Alternativmethoden wählt, um auf seine Buchung zuzugreifen: mit dem Reisepass, mit der Identitäts-, Kredit- oder Vielfliegerkarte, durch Scannen eines Barcodes auf dem ausgedruckten E-Ticket oder in seltenen Fällen durch Einlesen eines papiernen Flugtickets. Die entsprechenden Lesevorrichtungen am Automaten stellten die Fluggäste jedoch vor neue Herausforderungen. Die Betreiber der Automaten sind sich dessen offenbar bewusst, denn am Flughafen Zürich sind seit zwei Wochen einige Exemplare eines neuen Hardware-Typen im Einsatz, die äusserlich einen viel aufgeräumteren Eindruck machen.

Das Einführen von Kredit- und Vielfliegerkarte funktioniert wie am Geldautomaten und bereitet kaum Schwierigkeiten. Das Einlesen des Passes hingegen ist für die meisten Passagiere mit Schwierigkeiten verbunden. Die dazugehörige Hilfestellung auf dem Bildschirm stellt die Handhabung so nachlässig dar, dass sie mehr verwirrt denn hilft. Der abgebildete Reisepass etwa ist kaum als solcher erkennbar. Zudem fehlt jedes Feedback, wann der Code-Streifen erfolgreich gelesen wurde. Irgendwann geschieht etwas auf dem Bildschirm – oder auch nicht. Dass hier schon häufig das Hilfspersonal hinzugezogen wird, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Noch schwieriger wird es mit der Identitätskarte, denn diese wird schon in der Bildschirmanleitung schlicht ignoriert.

Kurios ist bei der alten Automaten-Generation das Ausgabefach für die Bordkarte: eine undefinierbare Öffnung links am Gerät. Bei der neuen Generation entspricht das Format demjenigen der Bordkarte und diese kommt gut sichtbar darin zu liegen. Ins Auge gehen kann der Umgang mit dem Barcode-Leser, Laser-Klasse 2. Weil er bei den alten Automaten oberhalb des Schlitzes für den Reisepass angebracht ist und andauernd flackert, verleitet er manchen Fluggast dazu, den Pass damit einzuscannen. Wir beobachteten einen Passagier, wie er den Laser auf Augenhöhe inspizieren wollte, weil dieses Vorhaben nicht funktionierte.

Die neuen Automaten sind übersichtlicher gestaltet. Das Zusammenspiel zwischen den Instruktionen am Bildschirm und den Einund Ausgabeschnittstellen der Hardware ist aber noch immer mangelhaft. Ein Lösungsansatz wäre, die relevanten Schnittstellen selbst im richtigen Moment zu kennzeichnen: wählt der Passagier etwa «Reisepass einlesen», würde dann der Scannerschacht aufleuchten – so wie man es von den Zahlstationen in Parkhäusern kennt.

Wohin denn nun mit meinem Koffer?

Sind alle Angaben getätigt, druckt der Automat Bordkarte und Gepäck-Tag. Wie man dieses Etikett am Gepäckstück befestigt, zeigt der Bildschirm. Dass man den Koffer dann am «Bag-drop»-Schalter aufgeben muss, erfahren die Passagiere jedoch nur durch Beobachten oder Fragen. Auf dem Bildschirm steht diese Information nur für einen kurzen Augenblick. Während unserer Tests verpassten ihn die Passagiere meist, da sie im gleichen Moment damit beschäftigt waren, Bordkarte und Gepäck-Tag in Empfang zu nehmen.

Im Check-in 1 liegt der Aufgabeschalter nah und ist gut erkennbar, sodass die meisten Flugpassagiere zielgerichtet darauf zusteuern. In den anderen Abflugbereichen wird einmal mehr das Hilfspersonal angegangen.

Fazit: Ein Herz für die Masse

Betrachtet man nur die Abfolge der Bedienschritte auf dem Automaten, funktioniert der Self-Check-in-Prozess passabel und erlaubt die schnelle Abwicklung der Formalitäten – speziell für Vielflieger mit Handgepäck. Klare Mängel sind die dürftigen Feedbacks und die fehlenden Kontextinformationen, etwa bei Eingaben und Einlesevorgängen sowie beim Kenntlichmachen der verfügbaren Optionen und der notwendigen Handlungsschritte nach Erhalt der Bordkarte. Hier sind zumindest Gelegenheitsflieger auf das Hilfspersonal angewiesen. Die brachliegenden Bildschirme über den Automaten würden sich geradezu anbieten, einige Fragen der Benutzer im Vorfeld zu beantworten. Diese Chance, User Education zu betreiben, verschenken sich die Betreiber der Self-Check-in-Automaten indessen. Auch weitere Anpassungen am Automatendesign würden den Prozess sinnvoll unterstützen – etwa eine Benutzerführung am Gerät, die die jeweils handlungsrelevante Lese- oder Ausgabeschnittstelle beleuchtet.

Eine weitere Hürde sind die nicht abgedeckten Fälle und technische Schwierigkeiten, die wegen der unspezifischen Fehlermeldungen viele Passagiere zurück an die Schalter zwingen.

Die User Experience und damit die Akzeptanz des Self Check-in hängen aber nicht nur von der Usability der Bedienelemente am Automaten ab. Vielmehr geht es um das Zusammenspiel von Soft- und Hardware, Anzeigetafeln und Raumarchitektur – und zwar aus der Prozesssicht des Passagiers. Auch dem Gelegenheitsflieger mit Koffer muss vor der Automatennutzung klar sein, wo er sein Gepäck abgibt, wohin er sich bei Problemen wenden kann, und dass er seinen Flug durch Bedienfehler nicht gefährdet. Dieser Informationsservice bleibt momentan dem Bedienpersonal überlassen. Ist dieses aber nicht zur Stelle, bleiben die Automaten verwaist.

So wurde getestet

«Transport» ist das Thema des diesjährigen Welt-Usability-Tags am 13. November. Zeix führte deshalb im Rahmen eines Feldtests Befragungen und Beobachtungen der Passagiere beim Self Check-in durch. Der Fokus lag auf der Usability der Automaten im Terminal 1 und dem Check-in-Prozess der Swiss International Air Lines. Wir befragten die Passagiere entlang eines halbstandardisierten Interviews über ihr Reise- und Check-in-Verhalten und ihren Eindruck vom Self Check-in. Ergänzt wurden unsere Beobachtungen durch einen Expert Review.

Self Check-in en vogue

Self-Check-in-Automaten sind nichts Neues. Schon Ende der 90er-Jahre wurden sie in den USA vereinzelt eingesetzt. Aber erst nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kam eine ausgereiftere Generation der Geräte im grossen Stil zum Einsatz, da die neuen Sicherheitsbestimmungen den Check-in-Prozess massiv verlangsamten und die Schlangen an den Schaltern wachsen liessen.

Während in den USA der Check-in am Automaten zum Flugalltag gehört und am Flughafen London Heathrow schon ein ganzer Terminal auf Self Check-in umgestellt wurde, hinkt die Schweiz dieser Entwicklung hinterher. Auf dem Flughafen Zürich wird Self Check-in erst seit Sommer 2008 richtig forciert. Mit rund drei Dutzend Automaten an drei Terminals erhalten über 70 Prozent der Passagiere die Möglichkeit, beim Check-in Zeit zu sparen. Gemäss Swissport kann durch die Automaten der Check-in-Prozess von 15 Minuten auf 3 Minuten verkürzt werden. Die Kostenvorteile für die Fluglinien sind augenscheinlich. Laut Forrester Research belaufen sich in den USA die Kosten pro Passagier für den Check-in am Automaten auf 14 Cents, für jenen am Schalter auf 3 US-Dollar. Im Hinblick auf den Kostendruck, der insbesondere auf den Billigfluglinien lastet, sind Self-Check-in-Automaten wohl ein unvermeidbarer Schritt.

Fachartikel Netzwoche

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