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Sind Google Apps eine Software-as-a-Service-Lösung für jedermann?

«Google Apps» bieten eine gehostete All-in-one-Lösung für E-Mail, Terminverwaltung und Office-Funktionen. Doch wie einfach ist das Aufsetzen dieser SaaS-Lösung? Alles andere als ein Kinderspiel, so das Verdikt von sechs potenziellen Administratoren im Zeix-Testlabor.

 

Eine funktionierende und sichere IT-Infrastruktur ist teuer, wartungs- und zeitintensiv und erfordert eine kompetente Fachkraft. Viele KMUs sind deswegen mehr schlecht als recht organisiert und betreiben eher handgestrickte Mail- und File-Server mit ebensolchen Backup-Lösungen. Für E-Mail und Terminverwaltung verlässt man sich auf die klassischen Office-Anwendungen, wobei aufwändigere Lösungen wie ein Virtual Private Network, ein angemessener serverbasierter Spam-Filter oder eine einfache Synchronisierung der Daten mit dem Mobiltelefon fehlen. Die User helfen sich selbst, führen von Hand mehrere Agenden oder leiten sich geschäftliche E-Mails ans private Mailkonto weiter. So können sie diese zu Hause wenigstens über ein im Funktionsumfang reduziertes Webmail oder über das Mobiltelefon abrufen.

Vielen Kleinstunternehmen und selbstständig Erwerbenden sind sogar die einfachsten Anwendungen noch zu kompliziert; Sie mailen trotz eigener Web-Domain der Einfachheit halber lieber mit meinefirma@bluewin.ch. Dabei gäbe es All-in-one-Angebote speziell für KMUs, von denen manche sogar gratis sind. Eines davon ist Google Apps, das E-Mail-Hosting, Terminverwaltung, Online-Office-Funktionen (Text, Tabellen, Präsentationen), Instant Messenger und ein einfaches Webhosting beinhaltet. Selbstständig Erwerbende, KMUs, Grossfirmen, aber auch Privatpersonen können so eine professionelle Mail- und eine einfache Intranetumgebung an Google auslagern. Man kann sich einfach und schnell mit der bestehenden Domain für den Service anmelden oder sich eine Domain für 10 US-Dollar im Jahr kaufen. In der Praxis erweist sich der Weg zum Ziel für den Administrator jedoch als steinig, wie ein Usability-Test zeigte.

Google findet sich selbst nicht

Bereits bei der ersten Aufgabe, eine All-in-one-Lösung von Google für ihre Kommunikationsbedürfnisse zu suchen, scheiterten vier unserer sechs Testpersonen bei der Google-Suche. Der Einstieg über die Google-Website oder bekannte Google- Dienste wie Google Mail führten die Testpersonen ebenso wenig zum Ziel. Sie fanden zwar die lange Liste der Google-Produkte; das Anwendungspaket Google Apps  ist nirgends erwähnt. Zunehmend zeigen sich die Grenzen der Strategie, dass Google immer noch keine «richtige» Website hat. Die Firma bietet eine Vielzahl von Diensten, verzichtet aber immer noch auf eine schlüssige Informationsarchitektur und eine Navigation, die den Benutzer durch die Angebotswelt führt.

Einmal auf der Google-Apps-Startseite angekommen, wurde es für die Testpersonen nicht einfacher. Keine der sechs Testpersonen war sich sicher, am richtigen Ort zu sein. Dies insbesondere wegen der erforderlichen Selbstdeklaration als eine von drei Zielgruppen: «Unternehmen und Mitarbeiter», «Bildungseinrichtungen, Schüler und Studenten» oder «Organisationen und Mitglieder» – für selbstständig Erwerbende und Privatpersonen (fünf unserer sechs Testpersonen) eine Entscheidung zwischen drei falschen Antworten.

Diese unnötige Hürde ist unverständlich, denn schliesslich führen alle drei Links zur tabellarischen Übersicht über die kostenlose und kostenpflichtige Version von Google Apps (siehe Abbildung 1). Nach langem Suchen war dies endlich die Seite, die allen Testpersonen die passenden Informationen lieferte, um sich ein Bild vom Angebot zu machen und sich dafür oder dagegen zu entscheiden.

Über Umwege zum Ziel

Fünf der sechs Testpersonen entschieden sich für eine Anmeldung bei Google Apps. Der Geschäftsführer eines KMU war zwar skeptisch, zeigte sich jedoch bereit, das Angebot trotzdem genauer unter die Lupe zu nehmen. Für Inhaber einer Domain bereitete der erste Schritt der Anmeldung keine Schwierigkeiten: Nach Klicken auf «Anmeldung» kann der bestehende Domain-Name eingegeben werden. Die Anmeldung für Personen, die sich erst noch einen Domain-Namen kaufen möchten, versteckt sich jedoch hinter einer wenig intuitiven «Reiter-Navigation»

Zwei dieser drei Testpersonen gaben den Wunsch-Namen dann auch erst in das Feld für bestehende Domain-Namen ein. Dieser Fehler rächt sich lästigerweise erst viel später, wenn der User nämlich nach der vollständigen Registrierung die Domain-Inhaberschaft bestätigen muss. Auch der weitere Anmeldeprozess weist einige Unschönheiten auf, die zum Teil Verwirrung stifteten. Pflichtfelder sind bei der Registrierung mit neuer Domain nicht wie üblich mit Sternchen gekennzeichnet. Stattdessen weist ein Satz darauf hin, alle seien Pflichtfelder, falls nicht anderweitig angegeben. Dies wurde von den Testpersonen teilweise übersehen. So wurde etwa das Eingabefeld «Bundesland» leer gelassen, da es solche in der Schweiz nicht gibt. Da der User im Vorfeld das Land auswählt, wäre es ein Leichtes, die Eingabemaske an das Land anzupassen. Weiter sind Umlaute nicht zugelassen. Anstatt dies abzufangen oder wenigstens vorzumerken, wird der User erst mit einer Fehlermeldung darauf hingewiesen. Alle sechs Testpersonen mussten deswegen eine «Extrarunde» drehen.

Sprachliche Ungenauigkeiten, vermutlich auf mangelnde Übersetzungsqualität zurückzuführen, muteten manchmal etwas komisch an. In einigen Fällen machten sie Entscheidungen zum Ratespiel: Eine Testperson, die unbedingt vermeiden wollte, dass ihre Adressdaten in der «Domain-Auskunft» WHOIS erscheinen, zerbrach sich den Kopf über den Text: «Meine Registrierungsinformationen weiterhin nicht aufführen. Nur bei Bedarf im WHOIS-Verzeichnis zur Verfügung stellen.» Es war ihr unmöglich, zu beurteilen, ob sie an dieser Stelle ein Häkchen setzen sollte oder nicht. Schliesslich entschied sie, sich zur Sicherheit unter falschem Namen und mit falschen Adressangaben zu registrieren.

Beim Eingabefeld für die Postleitzahl hat sich ein Programmierer unnötigerweise etwas ganz Spezielles ausgedacht: Kaum klickt man ins Feld, öffnet sich ein Hinweis in einer Sprechblase (plötzlich in englischer Sprache), der mögliche Postleitzahlen anzeigt. Ein Klick auf das Fragezeichen (siehe Abbildung 3) vor dem Eingabefeld linkt zum PLZ-Verzeichnis der Schweizerischen Post. Weil die Sprechblase als Fehlermeldung interpretiert wurde, stutzten alle Testpersonen, da sie ja noch gar nichts ins Feld eingegeben hatten.

Angemeldet - und jetzt?

Bereits bei der ersten Aufgabe, eine All-in-one-Lösung von Google für ihre Kommunikationsbedürfnisse zu suchen, scheiterten vier unserer sechs Testpersonen bei der Google-Suche. Der Einstieg über die Google-Website oder bekannte Google- Dienste wie Google Mail führten die Testpersonen ebenso wenig zum Ziel. Sie fanden zwar die lange Liste der Google-Produkte; das Anwendungspaket Google Apps (mit der schlichten URL www.google.com/a) ist nirgends erwähnt. Zunehmend zeigen sich die Grenzen der Strategie, dass Google immer noch keine «richtige» Website hat. Die Firma bietet eine Vielzahl von Diensten, verzichtet aber immer noch auf eine schlüssige Informationsarchitektur und eine Navigation, die den Benutzer durch die Angebotswelt führt.

Einmal auf der Google-Apps-Startseite angekommen, wurde es für die Testpersonen nicht einfacher. Keine der sechs Testpersonen war sich sicher, am richtigen Ort zu sein. Dies insbesondere wegen der erforderlichen Selbstdeklaration als eine von drei Zielgruppen: «Unternehmen und Mitarbeiter», «Bildungseinrichtungen, Schüler und Studenten» oder «Organisationen und Mitglieder» – für selbstständig Erwerbende und Privatpersonen (fünf unserer sechs Testpersonen) eine Entscheidung zwischen drei falschen Antworten.

Fazit: Bezüglich Usability hätten wir von Google mehr erwartet

Im Grossen und Ganzen ist Google Apps in der Anwendung ein überzeugendes Produkt: Recht einfach und unkompliziert kann man über seine eigene Domain mailen und auch alle Kalender- und Handy Synchronisationsprobleme lösen.

Um Google Apps einzurichten und für seine Bedürfnisse anzupassen, ist aber eine grosse Portion Vorwissen notwendig. User ohne genaues mentales Modell davon, wie Domain-Hosting, E-Mail und Datensicherung zusammenhängen, sind rasch überfordert. Im Gegensatz dazu stossen Power-User schnell einmal an die Grenzen der Funktionalität. Unabhängig davon, wer Google Apps nutzt: Die Usability für den Anmeldungs- und den Administrationsprozess ist ungenügend und muss optimiert werden. Gefordert ist zu Beginn eine einfach verständliche Nutzendeklaration. Dann muss der User während des Registrierungsprozesses bei der Hand genommen und beim Einrichten von Google Apps besser unterstützt werden. Durch Anpassungen an der Formular-Usability und mit einer durchgängigen Schrittanzeige kann der Prozess noch einmal vereinfacht werden. Nach der Anmeldung müssen dem Erstbenutzer die weiteren Schritte und die Funktionalitäten erklärt werden. Dazu sollte das «System Google Apps» visualisiert werden, um dem User aufzuzeigen, wie alles zusammenhängt und was er alles machen könnte.

Schliesslich ist es jedem selbst überlassen, ob er Software-as-a-Service-Lösungen für sich nutzen möchte. Die Vorteile liegen jedoch auf der Hand – Umdenken lohnt sich.

Zeix führte den Usability-Test mit sechs Testpersonen, fünf Männern und einer Frau im Alter von 25 bis 40 Jahren, durch. Sie hatten die Aufgabe, nach einer All-in-one-Lösung zu suchen, um über ihre eigene Domain zu mailen, sich mit anderen austauschen zu können und ihre Kontakte und Termine zu verwalten und zu koordinieren. Drei Testpersonen taten dies als Privatpersonen, zwei sind selbstständig erwerbend, eine weitere ist Geschäftsführer eines KMU mit sechs Mitarbeitenden. Die Testpersonen unterschieden sich in ihren Computer- und Internetkenntnissen: Zwei Personen sind durchschnittliche Anwender, zwei weitere erfahrene und anspruchsvolle User. Zwei Personen sind IT-Experten. Die eine Hälfte der Testpersonen musste sich für die Registrierung bei Google Apps eine Domain kaufen, die andere Hälfte besass bereits eine.

 

So wurde getestet

Zeix führte den Usability-Test mit sechs Testpersonen, fünf Männern und einer Frau im Alter von 25 bis 40 Jahren, durch. Sie hatten die Aufgabe, nach einer All-in-one-Lösung zu suchen, um über ihre eigene Domain zu mailen, sich mit anderen austauschen zu können und ihre Kontakte und Termine zu verwalten und zu koordinieren. Drei Testpersonen taten dies als Privatpersonen, zwei sind selbstständig erwerbend, eine weitere ist Geschäftsführer eines KMU mit sechs Mitarbeitenden. Die Testpersonen unterschieden sich in ihren Computer- und Internetkenntnissen: Zwei Personen sind durchschnittliche Anwender, zwei weitere erfahrene und anspruchsvolle User. Zwei Personen sind IT-Experten. Die eine Hälfte der Testpersonen musste sich für die Registrierung bei Google Apps eine Domain kaufen, die andere Hälfte besass bereits eine.

Fachartikel Netzwoche

«Ich habe noch nie einen User für Google Apps schulen müssen»

Peter Hogenkamp

Im Usability-Test wies Google Apps bei der Einrichtung deutliche Mängel auf. Dennoch erweist sich Usability-Spezialist und KMU-Unt

 

Interview: Thomas Brenzikofer

Herr Hogenkamp, Sie nutzen für Ihre Firma Blogwerk Google Apps. Wie sind Sie darauf gekommen?

Ich hatte schon lange Gmail genutzt, das quasi der kleine Bruder von Google Apps ist; wir haben zu Beginn alle mit privaten Gmail-Konten gemailt und als Absender die Domain «blogwerk.com» eingestellt. Das ist natürlich nicht optimal, weil so private und geschäftliche E-Mails gemischt werden. Dann habe ich in einem Blog über Google Apps gelesen, ich glaube von Jürg Stuker von Namics.

Welches sind die Stärken und Schwächen von Google Apps?

Auf der User-Seite: Der Webmailclient ist grandios und wird immer noch besser. Mich beeindrucken die ständigen Verbesserungen und die hohe Qualität jedes neuen Release ab der Freischaltung. Seit einigen Monaten kann man zum Beispiel auch offline mailen; für mich als Pendler eine riesige Erleichterung. Inzwischen nutze ich gar keinen lokalen Mailclient mehr. Sicher sind Lösungen wie Exchange/Outlook oder Lotus Domino heute im Funktionsumfang noch mächtiger – aber sie sind auch viel schwerfälliger. Uns fehlt absolut nichts.

Im Test hat Google Apps bezüglich der Usability bei der Einrichtung nicht gut abgeschnitten. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Ja, aber das hat mich nur ein wenig gewundert. Bitten Sie mal jemanden auch mit guten IT-Kenntnissen, er soll einen Exchangeoder Notes-Server aufsetzen. Wenn er das noch nie gemacht hat, kommt er schnell an den Anschlag – ich weiss es, ich habe 2001 nächtelang herumprobiert. Im Vergleich dazu ist die Einrichtung von Google Apps ganz objektiv betrachtet recht einfach. Natürlich, wenn man keine Vorstellung davon hat, was eine Domain ist, was ein Registrar und was ein DNS-Eintrag, ist es schwierig. Die Realität ist halt auch nicht ganz trivial.

Laut den Testergebnissen ist Google Apps nur für IT-Spezialisten geeignet. Wem empfehlen Sie den Einsatz?

Na ja, zuerst ist die Unterscheidung wichtig, was der Administrator machen muss und was der User. Dass es für den Admin etwas schwieriger ist, finde ich nicht schlimm. Ich habe Google Apps schon etwa 15-mal für Kunden und Freunde aufgesetzt und noch nie einen User schulen müssen, die nutzen das einfach – das Admin-Tool auf Anhieb allein zu meistern, hätte ich dagegen keinem von ihnen zugetraut. Der Leistungsumfang, den man hier gratis oder für wenig Geld bekommt, ist einmalig. Ich glaube nicht, dass es derzeit für eine Firma mit 20 Leuten eine bessere E-Mail-Lösung gibt, was die Total Cost of Ownership angeht.

Nutzen Sie auch andere Software-as-a-Service-Lösungen?

Ja, Blogwerk nutzt fast nur Software-as-a- Service – von E-fon für die Telefonie über Salesforce.com als CRM und Mite zur Zeiterfassung bis hin zu Dropbox für den Filetransfer. Nur die Wiki- und Projektmanagement- Software hosten wir selbst, weil uns dort das SaaS-Angebot zu langsam war. Das nervt mich latent. Ich will eigentlich gar keine Server betreiben, ausser für unser Kernprodukt – unsere Blogs.

Haben Sie keine Sicherheitsbedenken?

Nicht mehr als anderswo. Wer bei SaaS gleich nach der Sicherheit ruft, soll erstmal seine aktuelle Server-Umgebung kritisch evaluieren. Wann wurden zuletzt bei allen Servern die Betriebssysteme und die Applikationen gepatched? Die UBS-IT ist vermutlich sicherer als die meisten SaaS-Lösungen (wobei Salesforce.com sich sehr anstrengt, in derselben Liga zu spielen), aber ich behaupte umgekehrt, drei Viertel der KMU-Installationen sind derzeit deutlich unsicherer unterwegs.

Ein Blick in die Zukunft: Wird bald niemand mehr Hardware kaufen und Software betreiben?

Das ist die 100 000-Dollar-Frage. Die Hälfte der Branche, mit Google an der Spitze, sagt das eine, die andere Hälfte mit Microsoft hofft das andere. Hochsicherheitsanwendungen werden wohl meist auf den eigenen Servern bleiben. Aber für KMUs ist es doch ein unrentabler Quatsch, für File-Ablage und E-Mails schlecht gewartete Server rund um die Uhr mit 20 Prozent Auslastung laufen zu lassen. Das Problem ist vor allem im Kopf. Fast jeder nutzt doch schon lange SaaSAngebote, zum Beispiel für private E-Mails, wo Hotmail schon 1996 den Durchbruch geschafft hat. Wenn ich genug Gottvertrauen habe, meine sehr persönlichen Privatmails einem Dienst anzuvertrauen, wieso sollte ich das mit meiner KMU-Kundendatenbank nicht genauso halten. Google hat soeben veröffentlicht, dass mehr als eine Million Organisationen Google Apps nutzen, darunter etwa die Stadtverwaltung von Washington D.C. Die haben sich alle etwas dabei gedacht. Abgesehen davon ist sowieso kein System zu 100 Prozent sicher – ein Backup zu ziehen und es unters Kopfkissen zu legen, kann nie schaden.

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