Ich fahre mit dem Auto an eine Ampel heran und starre konzentriert auf das grüne Licht
Wer kennt das Szenario nicht: Ich fahre mit dem Auto an eine Ampel heran und starre konzentriert auf das grüne Licht … schaffe ich es noch oder wechselt es auf gelb bevor ich durch bin. Da käme es mir super entgegen, wenn ich wüsste, wie lange ich noch Zeit habe, bis die Ampel wechselt. Exakt dies tut dieser Sekundenzähler, gesehen in Indonesien: Er zählt die Sekunden rückwärts bis Null, dann wechselt die Ampel.
Dies bringt nicht nur Erleichterung, sondern leistet auch einen positiven Beitrag zur Sicherheit. Wenn man nämlich unentwegt auf die Ampel starrt, vergisst man die Geschwindigkeitsanzeige oder drückt umso mehr aufs Gaspedal und man könnte sich wesentlich mehr auf das periphere Umfeld konzentrieren… man weiss ja nie, ob nicht gleich ein Velofahrer oder Fussgänger seine rote Ampel ignoriert.
Eine super Idee, denkt man jetzt auf den ersten Blick: Lasst uns alle Ampeln mit Sekundenzählern ausstatten. Doch ganz so einfach ist es nicht. Der Teufel liegt in den Ausnahmen. Trams, Busse und Postautos bringen nämlich die ganze Ordnung durcheinander. Kaum brausen sie heran, haben sie auch schon grün und selber wartet man noch eine Runde. Es wäre kein Verlass auf die Sekundenanzeige.
Doch auch solche Ausnahmen lassen sich regeln. Es reicht nämlich schon, wenn man als Verkehrsteilnehmer die letzten 5-10 Sekunden sieht, die einen Ampelwechsel ankündigen. Dies ermöglicht einem wartenden Autofahrer ohne Stress den Motor wieder zu starten oder einem heranbrausenden Velofahrer einzuschätzen, ob er noch etwas Gas geben soll oder doch locker ausrollen soll. Das Tram würde den Sekundenzähler entsprechend früher oder später erscheinen lassen und hätte weiter Vorrecht, ohne dass man an der momentanen Regel etwas ändern müsste.
Eine abwesende Sekundenanzeige wäre für alle Teilnehmer ein ebenso wertvolles Signal – vorausgesetzt man kennt die Regel. Auch fehlende Informationen sind nämlich wichtige Information. Hier bedeutet es, dass man noch einiges an Zeit hat, ohne dass sich die Ampelphase ändert und dass man sich noch auf anderes konzentrieren kann.
Dies also ein Beispiel dafür, dass man eine gute Idee von einem anderen Ort oder aus einem anderen Kontext nicht einfach kopflos übernehmen, aber mit gewissen Änderung anpassen und somit abgestimmt auf den neuen Ort oder Kontext sehr gut transferieren kann.
Liebes ASTRA, liebe Kantone und Gemeinden …ich würde mich freuen 🙂
Kommentare
Samuel Raymann
07.12.2009 - 16:35Eine schöne Lösung für einen ‚Ampel-Countdown‘ hat Damjan Stanković entwickelt. Er zeigt die verbleibende Zeit mittels (ebenfalls roter) Lichter, welche um das Rotlicht herum angeordnet sind.
Das Projekt wurde mit dem reddot design award 2009 ausgezeichnet.
http://relogik.com/eko
Moritz Brugger
27.08.2009 - 16:52@Franziska:
Die Sekundenanzeige zielt (wie so häufig die Massnahmen für eine bessere Benutzerfreundlichkeit) darauf ab, Transparanz für den User zu schaffen. Dies führt zur Ausbildung eines besseren mentalen Modells, d.h. Abbild der Realität für den User. Dadurch kann der User sein Handeln besser auf die situativen Begebenheiten anpassen und sich „korrekt“ Verhalten.
Der Verkehrsteilnehmer kann die zusätzliche Transparenz natürlich auch missbrauchen, wie du das beschreibst. Das Problem liegt also in der mangelnden Selbstverantwortung. Fussgänger und Velofahrer machen oft, was sie wollen – mich selbst eingeschlossen. Das tun sie aber so oder so jetzt schon. Vielleicht tun sie dies aber mit einer Sekundenanzeige etwas schlauer als bisher, da sie den Verkehr besser einschätzen können!?
Dieser bewussten Missachtung der Regeln kommt man natürlich durch eine bessere Benutzerführung nicht entgegen, sondern durch andere Massnahmen. Dein Einwand ist also berechtigt, da er aufzeigt, dass man die Sekundenanzeige offensichtlich nicht ohne „flankierende“ Massnahmen einführen darf. Als Beispiel wäre eine Informationskampagne denkbar, die die Verkehrsteilnehmer explizit auf die Gefahr des zu frühen Startens aufmerksam macht.
Ich argumentiere aber immer noch vehement dafür, dass die Sekundenanzeige zu einer grundsätzlichen Verkehrsberuhigung führen würde, da sich die Mehrheit daran halten würde. Wenn man sich nur nach den Missachtern richtet, dann kann man gleich alle Regeln aufheben.
Gerade der Versuch in Deutschland kann genutzt werden, um aus den Fehlern zu lernen. User müssen sich immer zuerst an Änderungen gewöhnen – wir sind Gewohnheitstiere. Dies muss aktiv geschehen. Voraussetzung für das Funktionieren einer solchen Sekundenanzeige ist entsprechend, dass die Verkehrsteilnehmer über die Bedingungen und auch die Gefahren aufgeklärt werden.
Rene
26.08.2009 - 14:08Der Sekundezähler wäre dann die Gelbphase vor der eigentlichen Gelbphase. Deswegen hat man ihn wahrscheinlich auch bei Fußgängerampeln ausprobiert. Die haben ja keine Gelbphase.
Ansonsten macht diese Dopplung der Ankündigung einer baldigen Umschaltung auf Rot für mich keinen Sinn, außer dass man Autofahreren noch einen optischen Reiz bietet außgerechnet an einem Fußgängerüberweg ein wenig mehr aufs Gas zu drücken!
Franziska
25.08.2009 - 11:39Hallo,
es gibt diese Ampeln zumindest hier in Deutschland schon bei ein paar Fußgängerampeln.
Das Problem ist: Viele Fußgänger fangen bei 1-2 Sekunden schon an die Straße zu kreuzen – ohne zu gucken! – während die Autos noch fahren.
Der Sekundenzähler hat also bei den Versuchen nur zu MEHR Unfällen geführt.
Deswegen werden sie hier wohl auch nicht in mehr Gebieten eingesetzt werden.