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Kaffee für alle!

Kapselsysteme für frisch gebrühten Kaffee polarisieren. Sehbehinderten bieten sie aber unbestrittene Vorteile: die Kaffeezubereitung ist bedienungssicher, Reinigung und Wartung beschränken sich auf ein Minimum. Starke Argumente für unseren Leser Daniele Corciulo, um sich ein Gerät aus der Nespresso-Reihe anzuschaffen.

Entsprechend herb dann seine Enttäuschung, als er sein erstes Kapselset leergebrüht hatte: Bestellt man nämlich Arabica-Nachschub, liefert der Pöstler die Kapseln normalerweise frei Haus – es sei denn, man ist sehbehindert. Denn die kostenlose Lieferung gilt nur für Bestellungen im Online-Shop. Und dieser glänzt zwar in Flash-Optik, ist aber nicht barrierefrei umgesetzt.

Den sehbehinderten Besucher erwartet auf www.nespresso.ch statt schwarzen Kaffees eine Blackbox. Denn Screenreader finden hier selbst in den Navigationselementen keinen Lesestoff. Es bleibt nur der Bestellweg via Callcenter. Dabei entstehen dann plötzlich «Versandkosten», die Nespresso auf den Kunden abwälzt. Dieser Zwang zum Hörer ärgert Daniele Corciulo, der – wie viele Sehbehinderte – auch Artikel des täglichen Bedarfs gerne online einkauft.

Bei einem Weltkonzern erstaunt es, dass man sich dieses treue Kundensegment mit einem unbenutzbaren Shop verscherzt. Und dass man es sich gleichzeitig leistet, die Navigation als bestes Suchmaschinenfutter auch vor Google & Co. zu verstecken. Nespresso ist indes kein Einzelfall. Auch bei vielen anderen Flash-Shops bleiben die Ladentüren für visuell oder motorisch eingeschränkte Kunden dicht.

Warum eigentlich? Der barrierefreie Site-Aufbau – im Idealfall auf HTML-Basis – gehört eigentlich zum Rüstzeug eines Web-Entwicklers. Und die Kosten für die Accessibility-Aufwände relativieren sich, denn die geforderte Trennung von Inhalt und Darstellung erleichtert die spätere Pflege der Site. Mit der barrierefreien Umsetzung legt man auch gleich das Fundament für eine geräteunabhängige Ausgabe der Inhalte. Kaffeekauf mit dem Smartphone – warum nicht?

Selbst Flash-Einsatz ist kein Verzichtargument für Accessibility. Denn Adobe und Kompetenzzentren wie die Stiftung Zugang für alle bieten gutes technisches Informationsmaterial, um Flash-basierte Inhalte zugänglich zu gestalten.

Auch barrierefreie Shops sind aber nur so gut wie ihr Konzept. Verlieren sich schon Nichtbehinderte auf ihrer Shopping-Tour, sind Accessibility-Massnahmen vergebliche Liebesmüh. Denn ohne eine schlüssige und lernbare Informationsarchitektur mit einer logischen Strukturierung der Inhalte und verständlichen Begriffen, wird der Einkauf für sämtliche Kunden zum Orientierungslauf. Doch dies sollte für unsere Leser ja mittlerweile kalter Kaffee sein …

Blog-Artikel von Daniele Corciulo

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