Die Zahl der über 60-jährigen aktiven Nutzer des Internets steigt zwar an, doch nutzen ältere Menschen das Internet und Online Communities immer noch seltener als jüngere Personen.
Das Potenzial von Online Communities
Online Communities sind virtuelle soziale Räume, in denen Menschen miteinander kommunizieren. Soziale Kontakte können unabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort und von der persönlichen Mobilität geknüpft und gepflegt werden. Damit können Online Communities einen Beitrag zur Verhinderung von sozialer Isolation leisten. Sie unter-stützen ältere Menschen dabei, ihren Alltag zu organisieren und zu strukturieren und sie stellen eine attraktive Möglichkeit dar, auch nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben wichtige Kontakte aufrechtzuerhalten. Bis zu einem gewissen Grad können Online Communities auch Aktivitäten stimulieren und Personen mit ähnlichen Interessen verbinden. Die Teilnahme in einer Online Community kann zudem wichtige Erfolgs-erlebnisse verschaffen und dadurch den Selbstwert steigern. Wie die Ergebnisse einer Studie der Zeix AG und der Berner Fachhochschule zeigen, schöpfen viele Online Communities dieses Potenzial aber längst nicht aus.
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Fachartikel IT business Von Jonathan Bennett (Berner Fachhochschule) und Sibylle Loetscher (Zeix AG) Auf welche Hindernisse stossen ältere Menschen, die sich in Online Communities beteiligen wollen? Und was können Online Communities tun, um für ältere Nutzer attraktiver zu werden?
Usability-Hürden weitverbreitet
Eine unbefriedigende User Experience ist bei vielen Online Communities der Normalfall. Dafür sind vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend: Einerseits ein Mangel an Nutzerführung und andererseits ein Fehlen von grundlegenden Erklärungen für Community-Neulinge (z.B. Was ist der Sinn einer Online Community? Wozu dient ein Blog?). Sind die ersten Erfahrungen mit einer Online Community frustrierend (z.B. wenn bereits die Registrierung eine schier unüberwindbare Hürde darstellt), kann dies leicht zu einer negativen Wahrnehmung der gesamten Online Community führen. Die Chance, dass der interessierte Nutzer auch tatsächlich Mitglied der Online Community wird, sinkt dadurch rapide.
Die Senioren gibt es nicht
Die Zielgruppe der älteren Personen ist äusserst heterogen. Obwohl wir dazu neigen, älteren Menschen ähnliche Motivationen, Einstellungen, Werte und Interessen zuzuschreiben, trifft dies Annahme mit Sicherheit nicht zu. Im Gegenteil: Gerade im sogenannten dritten Alter, welches grob die Zeitspanne zwischen 60 und 75 Jahren umfasst, kann man von einer Diversifizierung der Lebensstile sprechen. Denn der Alltag wird nicht mehr von der Erwerbsarbeit dominiert, familiäre Pflichten rücken stärker in den Hintergrund und gesundheitliche Probleme beeinträchtigen die autonome Lebens-gestaltung noch kaum. Dementsprechend interessieren sich Mensch im dritten Lebensalter aus den verschiedensten Gründen für das Internet und Online Communities. Führt man sich diese Vielfalt vor Augen, wird deutlich, wie schwierig es ist, «alle» Senioren mit einer einzigen Online Community zu erreichen.
Entscheidend für die Nutzung einer Online Community ist somit nicht das Alter. Vielmehr zählt die Verbindung zum eigenen Alltag. Alle aktiven User in der Studie haben in «ihrer» Community einen ganz persönlichen Nutzen gefunden: ein Hobby, einen Kontakt zu Freunden in der Ferne, eine persönliche Aufgabe.
In attraktive und qualitativ hochstehende Inhalte investieren
Online Communities, die für ältere Menschen attraktiver werden wollen, tun deshalb gut daran, in erster Linie in die Qualität und Attraktivität ihres bestehenden Angebots zu investieren. Wichtiger als die Lancierung spezifischer «Seniorenthemen» ist eine klare Formulierung und Kommunikation des konkreten und für den Alltag relevanten Nutzens, der für die ältere Person aus der Mitgliedschaft in der Online Community resultiert. Dazu sollten auch jene Informationskanäle genutzt werden, die möglichst viele ältere Menschen erreichen (Radio, Fernsehen, Printmedien).
Nicht altersspezifisch, sondern altersübergreifend denken
Entscheidender als die altersspezifische Ausrichtung einer Online Community ist ihre «altersintegrierte» Gestaltung. Es muss verhindert werden, dass User aufgrund ihres fehlenden Vorwissens mit besonderen Usability-Hürden zu kämpfen haben. Hier ist zu berücksichtigen, dass vielen interessierten älteren Menschen die einschlägigen Erfahrungen mit Online Communities fehlen. Sie haben deshalb oft einen grösseren Bedarf an Nutzerführung und grundsätzlichen Erklärungen. Eine altersintegrierte Online Community schafft es, diesen Service anzubieten, ohne dass dies bevormundend wirkt.
Ein Handlungsmodell: (Ältere) Mitglieder ansprechen und längerfristig gewinnen
Damit aus älteren potenziellen Nutzern aktive User werden, sind Bemühungen auf drei Ebenen notwendig (vgl. Abbildung).
Anleitung: Online Communities müssen einfach auffindbar sein und ihren Nutzen klar kommunizieren.
Anleitung: Neue Nutzer müssen angemessen durch den Prozess der Registrierung und des Kennenlernens der Online Community geführt und begleitet werden.
Belohnung: Neue Mitglieder müssen für ihre ersten Beiträge rasch belohnt werden. Die einfachste Form der Belohnung ist eine persönliche Rückmeldung.
Ziel sollte es sein, Online Communities für jedes Alter zu entwickeln und Interessen, Wissensbestände und Bedürfnisse aller Altersgruppe einzubeziehen. Anstatt dass «Junge» den «Alten» erklären, wie man Online Communities «richtig» nutzt, dienen altersintegrierte Online Communities der Zusammenarbeit und dem Dialog zwischen Alt und Jung.
Die Studie
Die Studie wurde von der Zürcher Agentur für User-Centered Design Zeix mit der Berner Fachhochschule im Rahmen des EU-Forschungs- und Entwicklungsprojekts «Third Age Online» (TAO) publiziert. Das Projekt endete 2013 gemäss Wikipedia.
18 internetkompetente Personen im Alter zwischen 60 und 75 Jahren nahmen an mehreren Testsitzungen zur Usability von verschiedenen Online Communities teil. Jede Testsitzung beinhaltete eine Reihe von Aufgaben (Szenarien) und wurde mit einem Interview begonnen und abgeschlossen.
Das Projekt TAO stand unter der Federführung der Berner Fachhochschule und wurde im Rahmen des Ambient Assisted Living (AAL) Joint Programme durch das schweizerische Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, das niederländische Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport, das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Europäische Kommission mitfinanziert.
Summary of the study results on Wikiversity „How Online Communities Can Make a Contribution to the Social Integration of Persons aged 60 to 75».
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