Gute Informationsarchitektur entlastet jeden einzelnen Menschen davon, immer wieder Information selbst strukturieren zu müssen. Damit macht sie den Kopf frei zum Verstehen und zum Handeln. Was sich so abstrakt anhört, lässt sich gut anhand von Architektur im Raum veranschaulichen.
Jedes Mal, wenn ich in meiner Heimatstadt Basel ankomme, fällt mir als erstes die grosse Verwirrung am Bahnhof auf. Haben Sie dort auch schon einmal versucht, den Platz zu Fuss zu überqueren, ohne von einem Tram, einem Bus oder einem Taxi überfahren oder mit lautem Klingeln, Hupen oder Schimpfen erschreckt zu werden? Kein einfaches Unterfangen, kommen die Fahrzeuge doch aus allen Richtungen und ohne klar erkennbares Ziel, und meist auch noch mehrere gleichzeitig. Nach dem ersten Schock eilen Sie weiter zu den Dächern, die die Haltestellen der Trams signalisieren. Doch zu welchem Tram und welchem Dach?
Die Basler Planer haben an und für sich das Wichtigste richtig gemacht: Sie haben das Bedürfnis der Fussgänger nach Übersicht und Gleichberechtigung mit anderen Verkehrsteilnehmern ernst genommen und die unbeliebte frühere Unterführung geschlossen. Doch nun signalisiert der grosse, ebene Platz eine Flanierzone. Und genau das ist irreführend, denn die Wege der Fussgänger werden überall von anderen Verkehrsteilnehmern gekreuzt. Mit der Gestaltung geben die Planer den Fussgängern von Anfang an die falsche Erwartung auf den Weg, und sie geben ihnen keinerlei visuelle Hinweise, die diese korrigieren würden.
Verständlichkeit ins Chaos bringen
Für Fussgänger wäre es hilfreich, wenn am Bahnhofplatz der Weg und die gefährlichen Kreuzungspunkte visuell signalisiert wären. Die Aufgabe der Informationsarchitektur ist es denn auch, diejenige Information aus der Masse hervorzuheben, die für die aktuelle Handlung relevant ist.
Zukunftssicherheit schaffen
Das Ergebnis guter Informationsarchitektur ist ähnlich dem guter Architektur im Raum: Sie ist tragfähig, wie ein gutes Fundament. Sie stellt sicher, dass alle Beteiligten einfache und schnelle Wege finden. Sie ist leistungsfähig, wie eine gute Infrastruktur. Sie funktioniert auch bei grossen Mengen an komplexen Informationen und Prozessen. Und sie ist ausbaufähig, wie ein gut geplantes Areal. Wenn neue Anforderungen und Benutzergruppen hinzukommen, muss nicht alles neu gemacht werden. Das Regelwerk, das sie geschaffen hat, ist flexibel genug, um Ergänzungen hinzufügen zu können.
Den Kopf frei machen
Die gute Informationsarchitektur eines Webshops verhilft den Online-Kunden dazu, rasch das richtige Produkt zu finden und zu kaufen – und im Idealfall noch etwas mehr als das. Die gute Informationsarchitektur einer Fachapplikation führt dazu, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit effizient erledigen. Und am Basler Bahnhofplatz würde gute Informationsarchitektur dazu führen, dass Sie sich voll darauf konzentrieren können, das richtige Tram zu erwischen – statt nicht unters falsche zu kommen.
Weiterführende Information
World Information Architecture Day Switzerland
Euro IA Konferenz, Madrid, 24.-26. September 2015, mit dem Zeix-Beitrag Rethinking Navigation (deutsch: Das Ende des Menüs)
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