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Gute User Experience dank überlegter Author Experience

Gute UX auf deiner Website hängt von der Qualität des Inhalts ab – das ist klar. Und trotzdem fristet die Erstellung und Pflege von Inhalt in agilen Entwicklungsprozessen oft ein trauriges Schattendasein. Die Anwendungsfälle der Autor:innen, gehen fast unter – vor allem wenn die Redaktionsprozesse erst während des Redesigns entstehen. Ein Überblick, was Autor:innen tun und was das für das Einrichten des CMS heisst – ein Blick auf die Author Experience.

Die Anwendungsfälle der Leser:innen zu eruieren und auch zu verstehen, ist schwierig genug. Es braucht Empathie. Nur so produzieren wir Content, der Usern effektiv hilft.

Viele Unternehmen beginnen heute mit dem laufenden Redesign der eigenen Website, die Content-Produktion zu professionalisieren. Daher dieser Blogpost: ich fasse unsere Erfahrungen zusammen, was das CMS mit guter Backend Usability beitragen kann, um die Content-Qualität hoch zu halten.

Autor an der Schreibmaschine
Author Experience war auch analog ein Thema: Aber mit Pfeife, Tischchen und Sessel analog lösbar. Bild: https://www.loc.gov/pictures/

Warum gute Author Experience?

Ohne gute Author Experience gibt es keine gute User Experience. Denn je schneller, fehlerfreier und hochwertiger sie Content erstellen, umso erfolgreicher ist letztlich der Auftritt – und das Budget effizient eingesetzt. Deshalb lohnt es sich immer, die Experience für das Autoren-Interface im CMS bewusst zu gestalten.

Wer sind Autor:innen im Web?

Meist stellt keine  Einzelperson den Inhalt zusammen, sondern mehrere Personen in unterschiedlichen Rollen:

  • Content-Verantwortliche. Sie haben das Fach-Knowhow. Sie liefern den Roh-Inhalt, der aufs Web soll und entscheiden am Schluss inhaltlich darüber, ob man das so publizieren kann. Sie haben kaum Web-Knowhow. Das CMS ist für sie das Kürzel einer neuen Schweizer Bank und sie haben und wollen kein Login dafür. Das brauchen sie auch nicht.
  • Gelegentliche. Sie publizieren selbst im Web, allerdings nur selten.  Sie haben ein CMS-Login, aber brauchen im Umgang damit manchmal Unterstützung – von den Web-Autoren oder einfacher: vom CMS selbst.
  • Zulieferer. Das sind beispielsweise Fotografen oder Agenturen, welche meist Fotos, Illustrationen oder Videos liefern. Ihren Auftrag bekommen sie leider häufig analog dem Kinderspiel Flüsterpost.
  • Web-Autoren. Das sind diejenigen Redaktor:innen oder Autor:innen, bei denen die Fäden zusammenlaufen. Sie erstellen webgerechte Inhalte und bedienen das CMS im Halbschlaf. Sie machen letztlich die Website zu dem, was sie in punkto Content ist. Ihre Arbeitsprozesse und Bedürfnisse sollte das CMS Backend Interface unterstützen.
404 Anzeige auf einem Laptop.
404, schlechte User Experience und schlechte Author Experience. Bild: Erik McLean / Unsplash

Wissen, was Autoren tun

Use Case 1 – Input für neuen Content

Am Anfang steht der Input für einen neuen Inhalt. Beispiel: Content-Verantwortliche bringen das Thema  für eine neue Webseite. Dahinter steht beispielsweise ein neues Produkt, eine geplante Plakatkampagne oder ein neuer Hintergrund.

Was kann im CMS schieflaufen? Wenn das CMS viele Templates zur Auswahl gibt, deren Beschreibung unklar ist, werden die Web-Autoren und erst Recht die Gelegentlichen nehmen, was sie kennen und somit immer dieselben ein, zwei Templates brauchen, auch wenn das perfekte Template einfach etwas tiefer auf der Liste steht.

Diese Auswahl können Sie unterstützen

  • indem nur die CMS Templates angezeigt werden, welche effektiv genutzt werden können. Einfaches Beispiel: Eine 404-Seite gehört nicht dazu.
  • indem die Templates so bezeichnet sind, dass klar wird, wozu sie dienen. «Referenzseite» ist ein gutes Beispiel – «Standardseite» das Gegenteil.
  • Micro Content macht auch für das Backend Sinn: Kurze, erklärende Texte helfen rasch zu erfassen, worin sich  die Templates im Kern unterscheiden.

Ich erwähne das, weil die wesentlichen Merkmale von Seitentypen meist aus Designer:innen-Sicht angeschaut werden und auch aus Entwickler:innen-Sicht. Für den Aufbau des CMS empfehle ich, auch aus Autor:innen-Sicht draufzuschauen, um eine gute Author Experience sicherzustellen. Denn diese  Sichtweisen unterscheiden sich teilweise deutlich.

Backend mit Auswahl von Seitentemplates.
Das CMS hier bietet zu viele und teils unklare Templates an.

UseCase 2 – Neuen Inhalt kreieren

Jetzt kommen Template und Text zusammen. Beispiel: Die Content-Verantwortlichen liefern den Kerninhalt, einen Text, böse Zungen reden von Bleiwüste. Das webgerechte Aufarbeiten braucht Zeit, weil Web-Autoren dem sprunghaften User-Verhalten Rechnung tragen. Inhaltlich passendes Bildmaterial fehlt. Das nachgelieferte Tiff-Bild vom Zulieferer benötigt zum ersten Öffnen eine Kaffeepause.

Druck von 1692, Bericht über die Seeschlachten im Pfälzischen Erbfolgekrieg
Im frühen Druck musste alles auf einer Seite Platz haben, schwierige User- und schwierige «Author Experience». Bild: https://www.metmuseum.org/art/collection/

Was kann im CMS schieflaufen? Web-Autoren müssen sich um (zu) viele Dinge kümmern, die faktisch nichts mit der Qualität des Inhalts zu tun haben.

  • Das CMS soll sich bitte um die richtige Grösse der Bilder kümmern und um das Format. Autor:innen sollen sich auf die inhaltlich richtige Bildwahl, den Ausschnitt etc. konzentrieren dürfen.
  • Guter Content braucht 4 Augen! Das CMS braucht einen Freigabeprozess, damit der neue Content gegengecheckt wird. Wichtig: Klare Redaktionsprozesse für die neue Website entstehen in der Konzeptionsphase. Die CMS Prozesse bilden diese Festlegungen lediglich ab.
  • Bei der Abnahme durch die Content-Verantwortlichen brauchen die Web-Autoren
    a) Fingerspitzengefühl, weil die Bleiwüste jetzt ein kürzerer, modularer Web-Text ist und
    b) eine Möglichkeit, den Content-Verantwortlichen den Entwurf der Webseite zur Abnahme als Link geben zu können – weil die haben und wollen kein CMS Login.

CMS-fern, aber wichtig: Lasst Web-Autoren den Zulieferern die Aufträge direkt geben! So verhindert ihr z.B., dass coole Videos angeliefert werden, aber alle mit derselben Einstiegsszene beginnen 🤦.

Use Case 3 – Design für die Ausnahme

Während wir als UX Architekt:innen noch für die saubere Einhaltung der gut überlegten Konzeption plädieren, kommt es trotzdem vor: die Web-Autoren greifen zu  ‘dirty workarounds’. Logischerweise nur im absoluten Ausnahmefall 🤞!

Beispiel: Die Bildformate sind wohlüberlegt, funktionieren responsiv auf allen Screens perfekt – aber für diese eine Darstellung braucht es leider Passfotogrösse und die ist noch nicht entwickelt und weit hinten im Backlog… eine unsichtbare Tabelle scheint das Problem der Autoren zu lösen. Das ist keine gute Idee, weil die Autor:innen das dann zweimal in die Finger nehmen müssen oder das Provisorium bleibt und schlimmstenfalls weiter kopiert wird …Deshalb:

Es gibt immer Ausnahmen - Design muss betriebstauglich sein.

In der Konzeption berücksichtigen wir solche Fälle im Rahmen des «Unhappy Path». Gemeint sind Anwendungsfälle, die es in der idealen Designwelt gar nicht geben sollte: Der Artikel ohne passendes Bild, das Spenden-Widget ausnahmsweise mitten im Artikel, die vier verwandten Themen am Ende der Seite, die es gar nicht (mehr) gibt oder auf sich selbst verweisen.

Was kann im CMS schieflaufen? Alles ist so eingeschränkt, dass ein Design für Ausnahmefälle gar nicht möglich sind. Der Effekt: Es wird einfach hineingewürgt. Besser für die Author Experience:

  • Web-Autoren im CMS nicht übermässig einschränken – aber bitte nur sie und nicht die Gelegentlichen! Saubere Rechtevergabe ist zentral.
  • Das CMS und das Design müssen den Fall lösen helfen, dass ein Inhalt kein passendes Bild hat. Denn Bilder sind Inhalt und müssen zum Inhalt passen. Symbolbilder sind ein Übel und verwirren User häufig mehr, als dass sie helfen, den Inhalt schnell zu verstehen.
  • Elemente sollten eine Default-Lösung vorschlagen, die Autor:innen übersteuern können.
  • Webautoren brauchen für Zweifelsfälle Zugriff auf die UX Konzepter:in

Hinweis: Der Keine-Bilder-Fall kommt immer vor, ausser Sie betreiben eine Website für Ferienreisen, wobei selbst da……

Startseite einer Website mit grossem Bild von Studienabsolventen.
Symbolbilder - ein interessantes Motiv für die Startseite, leider passt es nicht zum Inhalt.

Use Case 4 – Inhalte vernetzen

Beim Texten fürs Web verlassen wir die Beschränkungen eines gedruckten Textes. Inhalt wird leicht lesbar aufbereitet, portioniert und gegliedert. Vertiefende oder weiterführende  Informationen, die dem User helfen könnten, stehen auf anderen Webseiten. Das weiss auch Google. Deshalb ist sinnhaftes Verlinken aus dem Kontext einer Seite zentral für die Benutzerführung und für ein gutes Suchmaschinenranking.

Was kann im CMS schieflaufen? Nicht alle Autoren sind sich bewusst, wie zentral das Ineinandergreifen mehrerer Seiten für den Erfolg des neuen Contents ist. Das CMS selbst macht oft nichts, um Autor:innen zu führen. Sowohl die User Experience wie auch die Author Experience steigen, wenn das CMS

  • den Auswahlprozess von verwandten Themen unterstützt und Verlinkungen durch das Backend-Design nahelegt.
  • durch automatische Verlinkungen eine Grundverlinkung sicherstellt. Wichtig: die Web-Autor:innen müssen diese manuell übersteuern können, falls die AI / Taxonomie versagt.
  • eine einfache Suggest-Suche für die Redaktionsdatenbank bereitstellt, um frei andere Seiten innerhalb der Website auszuwählen und möglichst im Preview anzuzeigen.

Hinweis: Automatische Teaser durch das CMS sind besser als gar keine! Wenn das Tagging-System gut durchdacht ist, hilft das sehr. Für besonders wichtige Kernseiten empfehle ich trotzdem, auf wenige, manuell überlegt gesetzte Links und Teasertexte  zu setzen, die die Benutzerführung unterstützen.

Vernetzung von Websiten illustriert.
Vernetzung von Websiten illustriert. Illustration: https://moz.com/

Use Case 5 – Atomisierung von Content

User lesen den Inhalt oft nicht zuerst auf der Website, für die er geschrieben wurde. Vielmehr sind Newsletter, soziale Medien, Suchmaschinentreffer, Kuratierungsseiten oder Backlinks verantwortlich für einen beachtlichen Teil des Traffic auf der eigenen Site. Die Kontrolle, wie der Inhalt aussieht, liegt dann bei fremden Websites.

Was kann im CMS schieflaufen? Die Vorschau-Ansicht des eigenen Inhalts passt nicht. Strukturierte Daten für die Suchmaschine sind nicht vorhanden. Die zentralen Punkte für die Author Experience hier:

Blick ins Backen des CMS Craft.
Beispiel, wie eine gute SEO Vorschau aussehen könnte. Hier am Beispiel des CMS Craft.
  • Web-Autoren müssen jeden Inhalt einfach und attraktiv auf anderen Kanälen ausspielen bzw. anteasern können.
  • Dazu braucht es Previews für die Anzeige auf Google, FB, Twitter etc., damit  die Web-Autoren überprüfen können, ob die Darstellung (inkl. Bild) stimmt.
  • Die Eingabefelder für Metadaten sollten auffindbar sein bzw. erklärt werden. Im Idealfall gibt es integrierte Tools, welche helfen, die Qualität z.B. von SEO-Optimierungen zurückzumelden.

Bieten Sie zumindest sinnvolle Defaults im CMS an, wenn der redaktionelle Aufwand für Suchmaschinenoptimierung bzw. Social-Media-Redaktion von Ihren Autor:innen nicht geleistet werden kann.

Screenshot von Feature Snippets in einer Google Trefferliste über Luzern
Feature Snippets Google Suche
Fotos und Fragen, zwei Beispiele für Feature-Snippets in den Suchresultaten. Die Inhalte dazu müssen Web-Autoren für den Google Bot bereitstellen.

Use Case 6 – Pflege der Website

Sie wird bei der Ressourcenplanung immer vernachlässigt: Die Zeit zur Pflege der Website, vor allem der statischen Inhalte! Warum wird das vernachlässigt? Weil es in Print-Zeiten keine Rolle spielte. Gedruckt ist es ja draussen.

Was kann im CMS schieflaufen? Es läuft wie zu Print-Zeiten: Ist der Content publiziert, fasst ihn keiner mehr an. Was hilft:

  • Das CMS unterscheidet erstens zwischen Seiten, die man nicht pflegen braucht (News) und solchen, die Pflege brauchen (‘stehende’ Inhalte primär).
  • Das CMS ermöglicht den Pflegebedarf darzustellen, etwa mit einem Ampelsystem. So kann eine Web-Autorin eine Webseite als veraltet vermerken, wenn sie irgendwo drüber stolpert, aber nicht die Zeit hat, das sofort zu erledigen.
  • Der Web-Autor mit «Pflege-Dienst» arbeitet das dann ab, erneuert die Webseite und kann sie wieder auf «Grün» stellen.

Anmerkung: Liebe Web-Budget-Verantwortliche – Eure Web-Autoren brauchen Zeit und Ressourcen, um die bestehenden Inhalte zu pflegen, zu überprüfen und zu aktualisieren. Eure User und die Analytics-Zahlen werden es Euch danken!

Use Case 7 – Design für den Papierkorb

Diesem Artikel wird es am Ende gehen wie praktisch allen Webseiten – er wird irrelevant. Braucht es also gute Author Experience auch beim Wegwerfen? Aber ja.

Helfen kann:

  • Ein Hinweis, wo dieser zu löschende Inhalt überall verlinkt ist. Dort kann neuer passender Inhalte neu verlinkt werden und es gibt keine Sackgassen für die User.
  • in Punkto SEO, dass die Seite aus dem Index für Suchmaschinen entfernt wird oder eine wohl überlegte Weiterleitung (301) auf eine anderen Webseite gesetzt wird. So wird das inzwischen erworbene ‘Vertrauen’ bei Suchmaschinen vererbt.
  • wenn das CMS das Löschen auch für Bilder, PDF-Dateien oder ausgeschiedenen Autoren sinnvoll unterstützt.

Fazit

Soll die gute User Experience der neuen Website auch in die Betriebsphase hinüber gerettet werden, ist eine gute Author Experience im CMS (Backend) zwingend. Dazu gilt es, die Anwendungsfälle der Autor:innen fürs eigene Unternehmen zu kennen und in der Konzeption zu berücksichtigen. Hilfreich dabei ist auch, den CMS-Entscheid nicht zu früh zu fällen.

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(Hat der Autor händisch zusammengestellt😎)

 

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