Der Sieg der Immobilienportale über die Wohnungsinserate in Zeitungen scheint ausgemacht, Private und Profis sind gleichermassen online gegangen. Doch die Strategie der Online-Anbieter, möglichst viele Informationen und Dienstleistungen zu präsentieren, verstellt teilweise den Blick auf das Wesentliche, wie ein Usability-Test zeigt.

Das sogenannte Rubrikengeschäft der Zeitungen, also Anzeigen für Wohnungen, Autos, Stellen, Kontakte usw., wurde schon früh als Bereich angesehen, in dem wegen der klaren Vorteile des Online-Mediums eine Verlagerung ins Web stattfinden wird. Dieser Trend ist in der Tat seit Jahren ungebrochen, auch wenn die Sichtweise zwischen übermässiger Euphorie und übertriebener Skepsis schwankt. Da die Vorteile eindeutig sind – Datenvielfalt im Online-Inserat, Such-, Sortier- und Benachrichtigungsfunktionen, Zusatzdienste im Umfeld -, nimmt die Zahl der online publizierten Inserate seit Jahren zu.

Schwer auffindbare Marktführer

Dies gilt besonders für den Immobilienmarkt, den sich in der Schweiz im Web im Wesentlichen vier grosse Anbieter teilen: www.homegate.ch, www.immoscout24.ch, www.immoclick.ch und www.immostreet.ch. Diese haben zwar teilweise unterschiedliche Businessmodelle, auf die hier nicht näher eingegangen wird, aber letztlich leben alle davon, dass bei ihnen viele Immobilien inseriert und nachgefragt werden. Da zudem alle seit mehreren Jahren weitgehend unverändert aktiv sind (lediglich homegate entstand erst Ende 2001 nach dem Aufkauf des Marktführers Immopool durch die ZKB), sollte man davon ausgehen, dass die Prozesse sich inzwischen eingespielt haben.

Wir wollten wissen, wie einfach das Inserieren und Suchen auf Immobilienplattformen – per se nicht die komplizierteste Transaktion in der E-Commerce-Landschaft – für die User wirklich ist, und testeten im März 2003 die vier genannten Angebote im «Usability-Labor» auf ihre Benutzungsfreundlichkeit. Den Probanden wurde zunächst kein Anbieter genannt, sondern sie sollten eine fiktive 4,5-Zimmer-Wohnung im Zürcher Kreis 4 online inserieren. Alle gaben dazu bei Google Schweiz eine Suche wie «Wohnungsmarkt» oder «Wohnungsinserat Zürich» ein. Die Trefferlisten zeigten eine Überraschung: Die genannten vier «Grossen» sind keineswegs als solche erkennbar. Der Immobilienmarkt präsentiert sich vielmehr als Sammelsurium Dutzender kleiner und kleinster Plattformen, von denen allerdings die meisten zu wenig Inserate haben, um nützlich zu sein. Das fand auch rund die Hälfte der Testpersonen, die bei den gefundenen Nischenanbietern nach eigener Aussage gar nicht inseriert hätten.

Als Nächstes wurden die Probandinnen und Probanden gezielt auf die Homepage je eines Anbieters geleitet, um die Wohnung dort auszuschreiben. Diese Aufgabe lösten alle erfolgreich, brauchten aber für Registrierung, Eintippen der Wohnungsdaten und Hochladen einer Foto mit zwischen 9 und 21 Minuten (im Durchschnitt gut 13 Minuten) deutlich unterschiedlich lange. In den Nachinterviews sagten alle Testpersonen aus, dass sie den Insertionsprozess als «mühsam» oder «eher mühsam» wahrgenommen hätten.

Rascheres Inserieren per Internet

Woran liegt das? Der Vorteil des Internets liegt ja darin, dass der Platz keine Rolle spielt und daher viel mehr Informationen präsentiert werden können als in der Zeitung. Während «4,5-Zimmer-Wohnung, Zollikerberg, schöne Aussicht, 2700 Fr.» eine akzeptable Zeitungsannonce ist, verlangt der Internet-Suchende gemäss Aussage der Portalbetreiber nach möglichst vielen Details. Und dafür bereiten die Portale ein weites Feld: Neben detaillierten Angaben zur Ausstattung der Wohnung (Glaskeramikherd ja/nein, Schwedenofen ja/nein, Kubatur in m[3]) oder zur Lage (Entfernungen zu Verkehrsmitteln, Kindergarten, Primarschule, Gymnasium, Skipiste) können Fotos, Grundrisspläne und neuerdings sogar Videofilme bereitgestellt werden. Unter den vier untersuchten Plattformen liegt Immoscout24 vorn: Mit 83 Feldern kann hier eine Wohnung beschrieben werden. Doch die Freud des Suchenden ist das Leid des Inserierenden: Er muss sich durch mehrere Eingabemasken kämpfen.

Ist man also schneller mit dem Print-Inserat als per Telefon? Wir testeten ebenfalls und fanden heraus, dass dies nicht der Fall ist: Telefonnummer Publicitas Herausfinden (2 Minuten), Anrufen, im Gespräch (6 Minuten) Herausfinden, dass man nur per Fax inserieren kann, Inserattext Ausdenken (dies wird einem online vom strukturierten Prozess weitgehend abgenommen), Schreiben, Ausdrucken und Senden des Fax (20 Minuten) ergeben zusammen rund eine halbe Stunde und somit doch deutlich mehr als das Online-Inserat. Echte Hürden, an denen ein Scheitern denkbar wäre, hält dieser Prozess indessen keine bereit.

Kostensparende Vorselektion

Für diejenigen, die im Umgang mit dem Internet geübt sind, ist das Online-Inserat aber nicht nur der raschere Weg. Mit rund 100 Fr. ist es auch etwas günstiger als ein Print-Inserat (ab etwa 120 Fr.), dessen Kosten zudem stark von der Grösse abhängen. Der grösste Unterschied ergibt sich jedoch bei den Transaktionskosten: Wer etwa in Zürich eine Wohnung inseriert, bekommt auf ein Online-Inserat weniger Anrufe oder E-Mails als auf eine Zeitungsannonce, diese jedoch mit deutlich höherer Qualität, weil die Interessenten sich im Internet bereits detaillierter informieren konnten. So sparen sich beide Seiten unnötige Kontakte und Besichtigungstermine.

Zurück zum Test: In der letzten Aufgabe sollten die Testpersonen bei zwei anderen Anbietern eine Wohnung mit mindestens vier Zimmern online suchen. Dabei konnte mehrfach ein mangelndes Verständnis der Detailsuche beobachtet werden: Die Testperson waren nicht fähig, die Vorgabe «mindestens vier Zimmer» korrekt (von «vier» bis «beliebig») umzusetzen. Sie korrigierten eine ergebnislose Suche, indem sie mehr Suchkriterien definierten, anstatt eines zu eliminieren usw.

Dieses Verhalten zeigt die typischen Schwierigkeiten vieler User mit der «Informatiker-Logik», die sich im Internet präsentiert. Auf Marktplätzen ist dies kritisch, denn für den inserierenden wie den suchenden Nutzer ist nicht die absolute Anzahl Inserate – «25 000 Wohnungen in der ganzen Schweiz» – entscheidend, sondern die «gefühlte»: Wie viele Wohnungen hat es in meinem Wunschquartier?

Optimierbare Nutzungsfreundlichkeit

Die Suchkompetenz der User bestimmt somit die Grenzen der «Featuritis»: Jede Information ist nur nützlich, wenn sie auch gefunden wird. Ähnliches gilt für die zahlreichen Zusatzfunktionen der Immobilienportale. Mehrere Testpersonen äusserten sich eindeutig: «Ich will nur schnell Wohnungen finden, alles andere schaue ich gar nicht an.» Entsprechend verwundert es, dass einige Anbieter diese Hauptfunktion hinter den Zusatzangeboten teilweise fast verstecken. Es zeigt sich: Nutzen und Nutzungsfreundlichkeit sind keine Synonyme. Die Immobilienportale bieten gegenüber Print-Inseraten einen Zusatznutzen, aber sie müssen an der Usability noch arbeiten, um auch die eingeschworenen Zeitungsleser zu aktivieren. Denn letztlich geht es wie gesagt nicht um die Technik, sondern um die Effizienz: Der Inserierende will mit weniger Aufwand (nicht mehr, aber qualifizierter Anfragen) schnell seine Wohnung vermieten, der Suchende will gezielt finden, besichtigen und mieten.

* Peter Hogenkamp ist CEO der Zeix AG, die auf Usability-Studien und User Education spezialisiert ist.

Aus der NZZ, 29.04.2003

Und wie erhält mein Projekt eine gute User Experience? Mit Zeix.

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