Nach oben

Der Apparatschik von SpOn kann nicht richtig googeln

Eine noch nicht sehr alte Kolumne von Thomas Hillenbrand bei Spiegel Online trägt den leicht albernen Titel „Apparatschik“, Untertitel „neue Technik im Test“. Das zusammen mit dem Handy am Ohr im Header deutet darauf hin, dass es wohl meist um Gadgets geht. Nicht nur, auch um Websites, egal, ob die nun neu sind oder nicht. Den Artikel letzte Woche über personalisierte Nachrichtenangebote fand ich auch noch ganz interessant. (Hab nur leider vergessen, Findory jemals wieder aufzurufen. So wird das nichts mit der automatischen Personalisierung.)

Diese Woche nun ist Google dran, der Autor hat sich Googles zehn Gebote ausgedacht. Dass er denkt, es würde saukomisch, wenn er die in eine pseudobiblische Geschichte verpackt, na ja, vielleicht mögen es manche. Vermutlich wäre er gern so erfolgreich wie Bastian Sick, der das in seinem Zwiebelfisch auch immer macht; ich denke auch bei dem manchmal: „Komm zur Sache!“, aber ich mag seine Kolumnen trotzdem sehr, weil die Inhalte stimmen.

Das ist das Problem bei Hillenbrands zehn Geboten. Mehrere davon sind unexakt oder schlicht Quatsch.

1. Du sollst nie weniger als drei Begriffe eingeben

Suchmaschinen durchforsten Milliarden von Seiten. Je genauer Sie ihre Abfrage formulieren, umso weniger Treffer bekommen Sie und umso schneller gelangen Sie ans Ziel. Bei den meisten Suchdiensten können Sie bis zu zehn Begriffe auf einmal eingeben (drei bis fünf tun es auch). Wenn Sie keine relevanten Treffer bekommen, nehmen Sie wieder ein oder zwei Wörter weg.

Blödsinn. Thomas Hillenbrand, super Query, auf Platz 6 kommt er. Weblog Usability auch. Was sollte ich da als sinnvolles drittes Wort nehmen? Gut, wenn ich die Trefferseite gesehen habe, dann weiss ich es, aber vorher nicht.

2. Du sollst Artikel und Hilfsverben ächten

Wörtchen wie ist, werden oder der erbringen keine vernünftigen Resultate. Sie werden von den meisten Suchmaschinen ignoriert. Ausnahme: Das Vierte Gebot.

Stimmt. Merkt aber jeder schnell selbst. Da die Artikel von Google einfach ignoriert werden, bekommt man ausserdem dasselbe Ergebnis, als wenn man sie gleich weggelassen hätte.

3. Du sollst Nomen bevorzugen

Von ganz seltenen Spezialtermini abgesehen sollten Sie, wenn möglich, auf Verben verzichten. Mit Nomen (und manchmal mit Adjektiven) lassen sich gemeinhin bessere Resultate erzielen.

Weiss nicht, ist das so? Wäre mir bisher nicht aufgefallen. Das kommt vielleicht, wenn man auch nur nominal schreibt (was man ja nicht soll, wie jeder weiss). Blog erstellen scheint mir eine tadellose Google-Suche zu sein.

4. Du sollst „Phrasen in Anführungszeichen“ setzen

Wenn Sie Hamlets berühmten Dialog suchen, ist die Abfrage sein oder nicht sein wenig Erfolg versprechend. Suchen Sie stattdessen nach der ganzen Phrase, indem Sie Anführungsstriche verwenden: „sein oder nicht sein“.

(Meint er den berühmten Dialog oder Monolog? 🙂

Stimmt. Ist aber oft nicht soo wichtig. Wie unsere Usability-Tests oft zeigen, ist die Phrasensuche ist übrigens eine der wenigen Suchtechniken, die auch ansonsten wenig Internet-versierte Personen beherrschen.

Die Phrase findet man allerdings häufig auch ohne Anführungszeichen. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins und „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ liefern praktisch dieselben Treffer, nur ab Position 3 in leicht anderer Reihenfolge. Klar, es lassen sich andere Beispiele finden, wo es einen grossen Unterschied macht. Aber wie gesagt, da sind die User mal im Boot.

5. Du sollst Wörter gebrauchen, die Du in Deinen Ergebnissen zu finden erwartest

Denken Sie zunächst kurz darüber nach, was für Begriffe auf Ihrer Zielseite vorkommen könnten. Wenn Sie die Homepage von Kanzler Schröder suchen, geben Sie nicht Gerhard Schröder ein, sondern zum Beispiel Gerhard Schröder Bundeskanzler SPD Hannover.

Ganz wichtige Regel! Sage ich meinem Vater auch immer. Überleg, was auf der Seite, die Du suchst, stehen könnte. (Mal etwas lebensnäher formuliert als alttestamentarisch.) Er hat mal stundenlang mit „Rügen, Insel, Urlaub, Unterkunft“ rumgemacht, anstatt nach „Ferienhaus Rügen“ zu suchen, was er eigentlich wollte. Darüber sollte man mal eine ganze Kolumne schreiben.

Aber jetzt kommt ja noch das Beispiel. Nicht Gerhard Schröder, sondern Gerhard Schröder Bundeskanzler SPD Hannover. Hm. Schon mal was von Link Popularity gehört? Hier wird hinten wieder eingerissen, was er vorn mit der guten Regel aufgebaut hat. Und er hat das Beispiel offenbar nicht mal ausprobiert. Gerhard Schröder führt zu exzellenten Ergebnissen, zuerst die offizielle „private“ Website gerhard-schroeder.de, dann bundeskanzler.de, dann etwas recht Dünnes, ein kontextloser Frame vom Deutschen Historischen Museum, dann Schröders Eintrag bei Wikipedia. Besser kann man es doch gar nicht treffen! Zwei davon kommen auch bei Gerhard Schröder Bundeskanzler SPD Hannover, leider aber das doofe Museum zuoberst, dann zum Glück Wikipedia — aber die Ergebnisse sind eindeutig schlechter, wie man schon daran sieht, dass auf Platz 6 eine Klassenarbeit über Schröders Biografie kommt. Hillenbrand: nachsitzen!

6. Du sollst die Syntax des Heiligen Boole (AND, OR, NOT) in Ehren halten und sie stets GROSS SCHREIBEN

Benutzen Sie so genannte Bool’sche Operatoren. Wallace AND Gromit durchsucht nur Seiten, in denen beide Namen vorkommen. Wallace OR Gromit findet Seiten in denen einer von beiden vorkommt Wallace -Gromit findet Wallace-Seiten, auf denen Gromit nicht erwähnt wird (einige Suchmaschinen akzeptieren statt dem Minuszeichen ANDNOT oder NOT). Schreiben Sie die Operatoren immer groß – manche Suchmaschinen erkennen sie sonst nicht. Wenn Sie keine Operatoren verwenden, nehmen Google, Yahoo und MSN an, dass alle Begriffe mit AND verknüpft werden sollen.

Grundgütiger! Der allerschlimmste von den 10. Es ist doch genau eines der grossen Verdienste von Google, dass sie diesen Boole-Quatsch, mit dem AltaVista die Leute gequält hat, den aber niemand kapiert hat, endlich abgeschafft haben. 99% der User machen nur AND-Verknüpfungen. Welcher normale Mensch würde jemals nach „Ferien AND (Spanien OR Portugal)“ suchen? Kein Mensch. Die Leute machen für OR mehrere Abfragen hintereinander. Alle andere ist Informatikerdenke, und gute Systeme liefern auch dem gute Ergebnisse, der davon nichts wissen will.

7. Du sollst alles andere klein schreiben

Der Übersichtlichkeit halber schreiben Sie am Besten alles außer der Suchsyntax klein. Viele Suchmaschinen unterscheiden nicht zwischen Groß- und Kleinschreibung. Bei den wenigen, die es tun, gehen Ihnen ansonsten vielleicht Treffer durch die Lappen.

Was für ein Durcheinander. Viele Suchmaschinen, wenige Suchmaschinen? Ich denke, wir reden von Google? Was auch die meisten ausschliesslich benutzen. Da ist Gross- und Kleinschreibung egal. Also einfach weglassen. Ist halt doof, dass man auf zehn kommen muss, um das Moses-Ding durchzuziehen.

8. Du sollst auch die ehrwürdigen Verzeichnisse befragen

Wenn Sie wissen wollen, wer Präsident der Elfenbeinküste ist oder wann Mozart dahinschied, sollten Sie nicht unbedingt Google befragen. Gehen Sie lieber zu Wikipedia.de, Answers.com oder nehmen Sie den guten alten Brockhaus zur Hand. Das geht meist schneller.

Dass Wikipedia oft der beste Anfangspunkt ist (und sicher schneller als der Brockhaus, wenn man vor dem Computer sitzt) würde ich durchaus unterschreiben. Allerdings findet man nicht ganz zufällig auch die Wikipedia-Einträge oben in den Google-Trefferlisten.

Die Google-Suche Präsident Elfenbeinküste liefert übrigens tadellose Ergebnisse. 🙂 Trotzdem, ich würde auch zu Wikipedia, weil man nicht weiss, wie aktuell die besten Google-Treffer sind.

9. Du sollst andere Suchmaschinen haben neben mir

Warum benutzen Sie immer nur Google? Gucken Sie auch immer nur ARD? Lesen Sie ausschließlich SPIEGEL ONLINE? Fragen Sie niemanden außer Ihrer Mutter um Rat? Na also. Vielfalt ist Trumpf, geben Sie zumindest den anderen Erstligisten wie Yahoo, MSN und Teoma auch mal eine Chance.

Den anderen „auch mal eine Chance geben“? Welche Art Argument ist das? Eins, wie wenn Uli Hoeneß gefragt wird, ob man nicht auch mal jemand anderen Meister werden lassen sollte? Wenn schon, müsste man es anders formulieren. Wenn man bei Google nicht fündig wird, kann man ja auch mal eine andere, z.b. eine Meta-Suchmaschine ausprobieren. Aber bitte nicht aus Mitleid mit Yahoo und MSN.

10. Du sollst auch der Auskunft und dem Telefonbuch huldigen

Jetzt haben Sie sich wieder fünf Minuten totgegoogelt, um zwecks Tischreservierung die Homepage des örtlichen Peking-Restaurants zu finden. Typischer Fall von Googleitis! Mal Hand aufs Herz: Glauben Sie nicht, dass ein Anruf bei der Auskunft Ihr Problem schneller gelöst hätte?

Grundsätzlich stimme ich überein. Man sollte sich nicht verbeissen, manchmal ist es wirklich schneller auf anderen Kanälen. Aber bei den meisten Call Centern bin ich echt froh, wenn ich sie umgehen kann, und die Telefonauskunft schlage ich an jedem Tag der Woche.

Noch eine nicht unwichtige Fussnote. Ein wenig ernüchternd ist es auch, wenn man sich ansieht, wie die deutsche Bloggerszene den Artikel aufnimmt. Ein „Trackback“ via Technorati führt im Moment zu 20 Treffern, vermutlich kommen in den nächsten Tagen noch 50 dazu. Kein einziger davon hinterfragt die Regeln (Ausnahme: die letzte) sondern alle setzen im Wesentlichen einen Link und schreiben Nichtigkeiten wie „Ich musste mehr als einmal schmunzeln“ oder „Lohnt sich zu lesen“. Hallo? Bloggerszene? Bloggen ist nicht nur Links setzen. Wirst Du am Ende doch gnadenlos überschätzt?

Kommentare

Kommentar schreiben

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Flo

25.10.2005 - 12:07

Hi, wenn ich mir deinen Artikel so recht durchlese, muss ich sagen, du hast wohl nicht ganz unrecht und ich war wohl etwas schnell mit meinem Blog-Eintrag.

Hans Dorsch

25.10.2005 - 12:17

Vielen Dank für diese Kritik. Jetzt habe ich mich wirklich dabei erwischen lassen, Unfug und Halbwahrheiten unter meiner Adresse weiterzugeben. Hier ein kleiner Link: http://www.macprofessionell.de/2005/10/25/der-apparatschik-von-spon-kann-nicht-richtig-googeln/

Ute

25.10.2005 - 19:01

Peter! Es ist kein „Spam-Kommentar“ !!! No fear — Du weisst doch mein Motto: „Die Gedanken sind frei“ Greetz from Berlin UTE (Ps: Feel free *)

Peter Hogenkamp

25.10.2005 - 21:43

Ich mag Euch. Alle drei. 🙂 Danke für den Besuch und kommt mal wieder.