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Was Sie über Headless CMS wissen sollten

Sollen Sie Ihrem CMS den «Kopf abhacken», auf eine grafische Oberfläche und Seitenvorlagen verzichten? Was so archaisch tönt, kann Ihren Content und Ihr Content Marketing besser zum Fliegen bringen. Wir erklären, in welchen Fällen Sie die Axt zücken sollten und wann Sie dies besser bleiben lassen.

Nike von Samothrake (Louvre)

Ein Headless CMS ist ein Content Management System ohne Frontend. Es gibt keinerlei Templates für irgendeine Darstellung, d.h. weder vordefinierte Rubriken noch Inhalts-Hierarchien, keine Theme-Auswahl, keine (vor-definierten) Seiten und – kein User Interface. Sie erstellen den Content direkt in einer Datenbank, strukturiert und verschlagwortet.

Der Ausdruck «kopflos» meint, dass man den Kopf (das Frontend, die Website, das HTML) vom Rumpf der Daten (body = Backend, Inhaltsbehälter) abhackt. Auf diesen Daten-Rumpf setzen Sie dann je nach Ausgabemedium denjenigen Design-Kopf, den Sie gerade brauchen.

Ein Content Management System darf sich headless nennen, wenn

  • die Möglichkeit besteht, strukturierte Daten zu erfassen
  • es eine API (Programmier-Schnittstelle) gibt, damit man die Inhalte genau so ausgeben kann, wie man sie benötigt.

Als Headless CMS gelten z.B. CraftCMS, Prismic, Contentful oder auch ProcessWire.

Strukturierte Daten für alle Kanäle

Strukturierte Daten wie technische Datenblätter, Produktspezifikationen, Kataloge und Manuals sollten im CMS nur einmal erfasst werden. Dafür sind Headless CMS ideal. Als Daten-Abfragesprache setzt sich GraphQL immer mehr durch, aber letztlich kann es auch klassisches REST sein.

Beispiel: Eine Künstleragentur möchte ihre Künstler-Biografien, Fotos, laufende Produktionen usw. nur einmal erfassen, egal ob sie nachher für Apps, die eigene Website oder Partner-Organisationen weiterverwendet werden. Der Konzertveranstalter dagegen möchte bestimmte Daten automatisch aggregieren und für diverse Endgeräte zur Verfügung stellen: Fotos, Videos, Texte, Kalendereinträge, aber auch Meta-Daten wie Koordinaten – egal, ob die User sie dann auf einer Smartwatch, in einem Chatbot, in einer mobile App, einer Social Community oder über eine ganz gewöhnliche Website konsumieren.

Grosse Unternehmen haben teilweise schon lange solche Strukturen im Einsatz, aber erst seit kurzem hat dieses technische Konzept einen griffigen Namen, viele Anbieter und damit das Potenzial, sich zu einem Standard zu entwickeln.

Schematische Darstellung welche Kanäle man bespielen kann mit einem Headless CMS
Schematische Darstellung welche Kanäle man bespielen kann mit einem Headless CMS

Stärken von Headless CMS

Ihre Website ist nur ein Kommunikationskanal von vielen

Wir leben in einer Zeit der Microservices. Ihre Kunden konsumieren mobile Apps, Virtual Reality, Augmented Reality, Chat, sprachgesteuerte digitale Assistenten, Smart Wearables und diverse Internet-of-Things Devices. Viele interne und externe Systeme kommunizieren miteinander und es kommen laufend neue dazu. Auf je mehr Kanälen Sie präsent sein können, umso besser erreichen Sie Ihre Kunden.

Pflegeaufwand fürs Publishing reduzieren

Omni-Channel-Publishing ist heute schon fast die Norm. Damit einher geht ein ständig steigender Pflegeaufwand, um die Inhalte in verschiedenen Formaten präsentieren zu können, z.B mit oder ohne Bild, mit aufwändigen Animationen (Motion) oder statisch.

Progressive Web Apps werden langsam salonfähig. Frontend-Spielarten wie Single page applications und Javascript-Frameworks wie React, Angular & Vue.js werden immer populärer. Letztere werden vorzugsweise dort eingesetzt, wo es intensiven Datenaustausch gibt und man nur jeweils die geänderten Elemente aktualisieren will, statt jedesmal die gesamte HTML-Seite komplett neu zu laden. (Es ist kein Zufall, dass React von Facebook stammt; die FB-Wall ist ein Paradebeispiel von permanenten Statusänderungen im Sekundentakt).

Für all diese Anwendungsfälle genügt ein «klassisches» CMS oft nicht, da der Pflegeaufwand aller Kanäle fast nicht mehr zu bewältigen ist.

Datenaustausch für B2B Anwendungen

Wenn firmen-interne Applikationen miteinander kommunizieren müssen, braucht es ein System, das flexibel genug ist, nur die Daten auszuliefern, die auch benötigt werden. Nicht jede Filiale braucht den gesamten Produktkatalog in allen Sprachen. Nicht jede Abteilung (Marketing, Produktion, HR) hat dieselben Bedürfnisse.

Einsatzgebiete für Headless CMS

Veranstaltungskalender

Zeix hat kürzlich den Veranstaltungskalender der ETH als Vue.js Webapp neu gebaut und in die Website eingebettet. Suche und Blättern in den Veranstaltungen ist auf der Website nun ohne Page-Reloads möglich. Gleichzeitig entstand ein Daten-Pool im CMS. Aus diesem Pool kann jedes Institut eine eigene Veranstaltungsliste zusammenstellen und diese z.B. auf Flatscreen-Displays an ihren ETH-Standorten anzeigen, ohne den Inhalt erneut abzufüllen.

Klassische Medienhäuser

Verlage wollen ihre Inhalte nicht doppelt und dreifach erfassen: Einmal für’s Web, einmal für iOS/Android Apps, und dann nochmals für Print. Sie erfassen den Inhalt einmal und ein ausgeklügeltes System im Hintergrund sorgt dafür, dass die richtigen Inhalte im korrekten Format (z.B. Bildauflösung) und in der gewünschten Reihenfolge daherkommen.

Content Marketing für alle Kanäle

Mit einem Headless CMS Setup können Sie aus einem Blog ein Buch kreieren mit genau diesen Blog-Inhalten. Sie exportieren Ihre Artikel als XML oder JSON aus dem CMS und importieren Sie im Adobe InDesign. Das hat z.B. der Autor dieses Pizza-Rezeptbuchs so gemacht.

Massgeschneiderte interne Anwendungen

Gerade bei firmeninternen Apps (z.B. dem CRM) passiert es oft, dass es trotz des Überangebots von Anwendungen keine Software auf dem Markt gibt, die haargenau das bietet, was Sie brauchen. Wir selbst nutzen ein Headless CMS für eine interne Wissensdatenbank. Die Webapp hat shop-ähnliche Funktionen wie Suche, Warenkorb und Merklisten.

Das «kopflose» Content Management Framework nutzen wir als Datengefäss. Für die Suche, Warenkorb-Funktionalität und Merklisten setzen wir ein Interface mit Vue.js ein. Dazu genügt ein API-Endpoint, der die Kommunikation des Frontend mit dem CMS mittels JSON sicherstellt. Das Headless CMS kommt erst wieder zum Einsatz, wenn wir eine Kollektion als Word oder PDF erzeugen möchten.

Communities und User-Generated Content

Auch Web-Anwendungen, die ihre User stark einbinden, könnten von einem Headless CMS profitieren. Dank der API können User Inhalte leichter erstellen und verwalten. Eine solche Plattform erlaubt den Usern, ihre Daten nicht nur auf der Website, sondern auch via App zu managen. Der Fotodienst Flickr hat das schon vor Jahren vorgemacht.

Digitale Transformation

Eine Maschinenfabrik haben wir vor Jahren dabei begleitet, ihre technischen Datenblätter nur noch im CMS zu erstellen und zu verwalten. Bis dahin wurde jedes Datenblatt manuell in Adobe InDesign erstellt. Autoren mussten das PDF manuell hochladen und im CMS verlinken. Die gleichen Rohdaten im CMS dienten nun als Grundlage sowohl für die Website-Darstellung (HTML), als auch für die PDF-Version (für Print optimiert). Dies verbesserte die User Experience für Endkunden, verkürzte die Produktionszeit und verringerte den Pflege-Aufwand für die Autoren enorm.

Wann eignen sich Headless CMS eher weniger?

Die grosse Freiheit und Flexibilität eines Headless CMS eignet sich nicht für alles. Mögliche Stopper sind

  • Tiefe Navigationen. Die klassische Seiten-Hierarchie und -Struktur ist in einem HCMS nicht mehr vorhanden. Das Gesamtsystem Ihres Content wird komplexer, da es aus mehreren unabhängigen Teilen aufgebaut ist. So wird es schwieriger, Fehler im Code zu finden. Allerdings müssen Sie auch nicht ausschliesslich auf ein Headless CMS setzen. Vielmehr können Sie eine Headless-Instanz nebenher einrichten bzw. für Spezialanwendungen parallel einsetzen.
  • Mehr Aufwand für Frontend-Programmierung. Formulare, Bildergalerien, Mitgliederbereiche müssen zusätzlich programmiert oder durch ein weiteres System bereitgestellt werden, da keine Standardvorlagen zur Verfügung stehen.
  • In punkto Sicherheit benötigen Sie ein Konzept, falls nicht alle User alle Informationen abfragen dürfen. Ein Rollenkonzept o.ä. als Sicherheitsmechanismus müssen Sie selbst ausarbeiten.
  • Das Handling von Mehrsprachigkeit oder Personalisierung kann aufwändig sein, da diese Logik evtl. komplett dem Frontend übergeben wird (je nach Implementierung).

Fazit

Rein technologisch betrachtet sind Headless CMS nichts brandneues, sondern eher ein neuer Name für eine Sonderform eines CMS. Offene Schnittstellen sind schon länger das Alpha und Omega des Webs. Die aktuelle Popularität von Headless CMS ist eine logische Nebenerscheinung und Weiterentwicklung des modernen Web mit seinen vielen Ausgabeformaten und -formen. Aktuelle Frontend-Technologien wie React schreien geradezu nach solchen flexiblen CMS.

So ist es nicht verwunderlich, dass Fachleute von einem Paradigmenwechsel sprechen. Es lohnt sich also, einen Blick in die hauseigene Content-Struktur zu werfen und zu entscheiden, ob Sie demnächst ohne «Kopf» besser dran wären.

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